Osterandacht: Vorwort Bund aktuell Nr. 3 | 7. März 2024

Liebe Leserin, lieber Leser,

Manchmal gibt es Augenblicke und Momente, die sind einfach unfassbar. Alle logischen Schritte machen keinen Sinn, alle bisherigen Erfahrungen reichen nicht aus, notwendige Sicherheiten und Verlässlichkeiten tragen plötzlich nicht mehr. Die Welt und alles darin Gewohnte und Bekannte verschiebt sich in einem einzigen Augenblick. Menschen kennen das, ein Unfall, eine Krankheitsdiagnose, ein Schicksalsschlag und alles ist anders. Und jetzt kommt es darauf an, wieder Boden unter die Füße zu bekommen, wieder aufzusehen und den Kopf zu heben, Niedergeschlagenheit und Hoffnungslosigkeit zu überwinden und neu aufzubrechen. Nicht allen Menschen gelingt es, aber es kann gelingen mit Mut und Zuversicht, mit dem festen Willen, nicht aufzugeben und der tiefen Sehnsucht in der Seele, sich dem Leben zuzuwenden.

„Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier.“ (Markus 16,6). So lautet der Monatsspruch für diesen Monat März, in dem wir zurzeit noch mitten in der Passionszeit leben und am Ende des Monats Ostern, das Fest der Auferstehung Jesu, feiern werden. „Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier.“ Die Evangelien erzählen, welches Entsetzen und welche Verzweiflung die Jüngerinnen und Jünger Jesu angesichts der Kreuzigung und des Tods Jesu in sich trugen. Sie erlebten diesen unfassbaren Moment. Sie hätten es zwar besser wissen können, weil Jesus in Worten und Bildern gesagt hatte, dass er wieder auferstehen würde. Aber nichts ist für uns Menschen endgültiger als der Tod. Mit dem Tod ist jede Art von Hoffnung und Zuversicht gestorben. Das Leben ist erloschen. Sie tun in der Folge das, was man wohl in solchen Situationen gerne macht. Sie ziehen sich in ihre Häuser zurück. Und dann gehen sie an den in ihren Augen manifestierten Ort der Niedergeschlagenheit und Verzweiflung: An das Felsengrab, in dem der Leichnam von Jesus begraben wurde. Bestenfalls wollen sie noch ihren religiösen Pflichten nachkommen, ihn balsamieren, aber über ihrem Handeln steht die Hoffnungslosigkeit und letztlich der Tod.

Und dann hören sie diesen Satz. Ihr sucht den Leichnam von Jesus von Nazareth, dem Gekreuzigten. Ihr sucht den Toten. Ihr werdet ihn nicht finden. Der Gekreuzigte ist auferstanden. Er lebt! Und da ist er wieder, dieser unfassbare Moment! Aber dieses Mal ist es keine Katastrophe, sondern es ist eine neue Wirklichkeit, die sich leise und langsam, Schritt für Schritt ausbreitet. Erst erreicht es die Sinne und dann den Verstand und dann das Herz. Die Sinne hören diese Worte, der Verstand versucht, das Gesagte zu begreifen. Und sogleich gerät er in den Widerstreit von Erfahrung und Hoffnung, von dem Gedanken „Es kann nicht sein, weil es nicht geht!“ hin zu einer Perspektive, die dem bisher Unmöglichen einen großen Raum gibt. Dann erreicht es das Herz und darin die ganze Gefühlswelt. Es tut sich eine neue Wirklichkeit auf, die in ihren Dimensionen noch nicht erfasst werden kann. Es braucht Zeit, wie jede schlagartige Veränderung, es braucht ein JA zum Leben, ein Ausgerichtetsein auf die Hoffnung, eine Erinnerung an das, was hinter einem liegt und es braucht erste, noch ungeübte Schritte in die gerade eröffnete Zukunft.

Als die Jüngerinnen und Jünger es endlich erfasst hatten, als der Auferstandene ihnen in der Folge begegnet ist und sie die alles menschliche Leben verändernde Kraft erkannt hatten, sind sie losgezogen, haben die Botschaft verbreitet, haben Hoffnung gesät und Zuversicht vermittelt. Sie haben in scheinbar ausweglosen Situationen Lichter entzündet, die denen leuchten, die in ihrem Leben im Dunkeln wohnen, weil sie von harten Schlägen getroffen sind und alles verloren haben.

Heute leben wir in einer Welt, in der viele Menschen die Orientierung verloren haben. Das Klagen ist groß und dabei spielt das Niveau, auf dem wir klagen, zunächst einmal gar keine Rolle. Bei vielen ist es letztlich eine tiefgreifende Unsicherheit, die das Leben kennzeichnet. Das Grundvertrauen in das Leben geht uns an vielen Stellen gerade verloren. „Es ist noch immer gut gegangen“ oder „Am Ende wird alles gut“ – viele Menschen können das angesichts ihrer persönlichen Umstände, der Polarisierungen und Radikalisierungen in unserer Gesellschaft und der vielen weltweiten Konflikte, die kaum lösbar scheinen, so nicht mehr sagen oder wenigstens fühlen. Sie erleben dieses Gefühl eines Grundvertrauens in das Leben nicht mehr. Umso mehr sind wir als Christen gefragt, die wir dieses Wort von der Auferstehung Jesu gehört haben, es zu sagen und vorzuleben. Entsetzt Euch nicht! Er ist hier! Gott hat diese Welt nicht verlassen! Jesus lebt! Er regiert!

Entsetzt Euch nicht! Der Blick auf das leere Grab und der Blick auf den Auferstandenen ist der sicherste und stärkste Ankerpunkt. Daran können wir uns festhalten, daran dürfen wir glauben, dazu können wir einladen. Ja, unsere Welt begegnet uns mit vielen Herausforderungen, ja, wir merken auch, dass viele Dinge aus der Vergangenheit heute nicht mehr tragen, ja, wir spüren auch, dass das krampfhafte Festhalten an alten Strukturen uns heute nicht mehr hilft. „Sucht nicht an der falschen Stelle“, könnte man mit dem Bibelwort aus dem Markusevangelium sagen. Blickt nicht in die Dunkelheit eines leeren Grabes oder einer längst verklärten Vergangenheit, sondern hebt den Kopf und orientiert Euch am Licht der Auferstehungshoffnung.

Das motiviert uns, nicht einzustimmen in die großen Klagen, sondern Zeichen der Hoffnung zu setzen. Wir verzagen nicht vor den scheinbar letzten Dingen in dieser Welt, sondern vermitteln Perspektiven, weit über den Horizont hinweg. Wir lassen uns nicht auf Polarisierungen der Gesellschaft und des Lebens ein, sondern wir verweisen auf den Retter und Erlöser der Welt, weil er auferstanden ist und weil er lebt. Wir sind und bleiben Hoffnungsmenschen! Und deshalb treten wir entschieden ein für die Freiheit für alle Menschen und für Frieden und für Gerechtigkeit. Wir setzen damit Hoffnungszeichen in dieser Welt und stimmen sehr bewusst und entschieden nicht in den Abgesang mit ein. Unsere Gemeinden sind Orte des Willkommens, Orte, an denen wir selbst und andere, die hinzukommen, neues Grundvertrauen in das Leben tanken können. Weil der auferstandene Jesus da ist!

„An Ostern sagen wir uns gegenseitig: Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig aufstanden. Sagen wir es laut und immer wieder. Denn mehr gibt es nicht und mehr braucht es nicht. Gott segne Euch!“