GUT BERATEN

Ein Spiegel für Mitarbeiter

Wir leben und engagieren uns in unseren Gemeinden aus Überzeugung. Wird es Ihnen dabei auch schon mal zu viel? Wenn ja, dann lesen Sie bitte weiter.

Können Sie gut nein sagen? Können Sie gut damit umgehen, wenn Ihnen die Arbeit nicht so gelingt? Können Sie Ihren Ärger über Situationen angemessen im Gemeindeumfeld ausdrücken? Können Sie gut Pause machen, oder muss alles schnell gehen? Fühlen Sie sich noch gut, wenn Sie sich für die Arbeit nicht angestrengt haben?

Ein NEIN auf diese Fragen wäre nicht verwunderlich, weil im Hintergrund Antriebsmechanismen stecken, die wir als Kinder gefunden haben, um damit die Aufmerksamkeit unserer Eltern oder anderer Bezugspersonen zu bekommen.

In der Transaktionsanalyse werden diese kindlichen Strategien „Antreiber“ genannt. Sei anderen gefällig, mache es anderen recht; sei perfekt, mache keine Fehler; sei stark, zeige keine Gefühle; beeil dich, mach schnell; streng dich an, müh dich ab.

Ein oder mehrere dieser Strategien wurden uns in unserer Ursprungsfamilie oft auch verbal durch Vormachen angeboten. Was sollen die Nachbarn denken? Das hättest du aber besser machen können! Indianer kennen keinen Schmerz! Nun komm schon, beeil dich! Jetzt streng dich an, du schaffst das!

Als Kinder haben wir uns dieser Strategien bedient, weil wir uns dadurch der Liebe unserer Eltern sicher sein konnten. Im Erwachsenenleben wirken diese aber unbewusst weiter und sind dann nicht immer hilfreich. Spontan, ohne nachzudenken, reagieren wir aus den Gehirnarealen, die in den ersten vier Lebensjahren entstanden sind, also mit den kindlichen Antreibern. Dann können wir schlecht Nein sagen, obwohl wir nicht wollen, weil uns der Grundsatz „Sei gefällig!“ innerlich antreibt. Oder wir können nicht zu unseren Fehlern stehen und versuchen uns zu rechtfertigen, weil wir nur geliebt werden, wenn wir keine Fehler machen – und es gibt noch viel mehr Beispiele.

Die kindlichen Antreiber sind aber Schwäche und Stärke zugleich. Wenn sie unbewusst wirken, treiben sie uns zu Gefühlen und Handlungen, die wir nicht wollen und über die wir uns später ärgern. Auf der anderen Seite haben wir uns damit auch Stärken antrainiert: Wir können uns anpassen und es den anderen auch mal recht machen. Wir können auch so konzentriert arbeiten, dass die Arbeit zu 100 Prozent gelingt.

Jesus fordert uns auf, bewusste Entscheidungen zu treffen: Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Bösen (Mt 5,37). Ich möchte es so übertragen: Wenn ich NEIN fühle, sage ich NEIN und lasse mich nicht von „Sei gefällig“ doch zu einem JA treiben. Wenn ich gefragt werde, „ist bei dir alles gut?“, sage ich nicht JA, weil mich die Aufforderung „Sei stark!“ treibt, sondern sage, wie es mir geht.

Entdecken Sie Ihre Antreiber und gehen Sie bewusster damit um. Antreiber brauchen einen Gegenpol, damit wir die Stärken und die Schwächen, die darin liegen, ausbalancieren können. Lassen Sie sich von ihnen „antreiben“, wenn Sie etwas schaffen wollen, und entscheiden Sie sich gegen ihre Antreiber, wenn sie diese gerade auch im Gemeindeumfeld dahin treiben wollen, wo sie nicht hinwollen. Sie dürfen „Nein“ sagen! Sie dürfen Fehler machen! Sie dürfen auch etwas nicht tun, wenn es Ihnen zu anstrengend wird!

Hans-Günter Simon, Pastor im BEFG, Coach und Supervisor, Mitglied im Fachbeirat "Beratung von Gemeinden"

Ein Spiegel für Mitarbeiter

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