„Bis hierher und nicht weiter!“ - Vom notwendigen Beachten der eigenen Grenzen

Bericht vom Treffen des Christlichen MS-Netzwerkes am 16. März 2013 in Herford

Kennen wir unsere Grenzen? Und beachten und vertreten wir sie? Warum fällt es oft so schwer, sich abzugrenzen, empfundene Grenzüberschreitungen zu äußern? An ganz praktischen Alltagsbeispielen zeigte uns Marion Buchheister, Referentin und Autorin aus Hamburg, auf, wie ungesund auf lange Sicht ein Nichtbeachten der Grenzen, Kräfte und eigenen Möglichkeiten ist. 

Doch das bewusste und nötige Abgrenzen und „Nein“-Sagen ist schwer, weil Wünsche und Erwartungen – auch die eigenen Ansprüche enttäuscht werden können. Weil man auf Unverständnis und Ablehnung stoßen kann, Diskussionen und langwieriges Erklären und Sich-rechtfertigen-Müssen resultieren kann und man vielleicht auch die Sorge hat, aussortiert zu werden, ins Abseits zu geraten. All diese Gedanken spielen mit, wenn man dann doch wieder schmerzhaft über die eigenen Grenzen hinausgeht.

Und doch ist es so wichtig, das Grenzen-Beachten einzuüben. Damit es uns nicht so ergeht, wie der erkrankten Nachtigall, die sich nicht wohl fühlte und daher sinnvoller Weise eine Pause beim Singen einlegte, sich dann aber von den Kommentaren der Spatzen („was ist mit der denn los? Die ist wohl faul!“) unter Druck setzen ließ, sich durchbiss und wieder sang, um das Bild nach außen intakt aussehen zu lassen und den Erwartungen zu entsprechen. Und daran zugrunde ging und starb.

Dabei lag die Alternative so nah, konsequent die erforderliche Pause einzuhalten, ohne sich durch die Reaktionen aus der Umgebung irritieren zu lassen, um dann im Frühjahr gesund und fit umso schöner und freudiger zu singen!

Was verhilft uns dazu, mutig und selbstbewusst zu unseren Grenzen zu stehen?

Marion Buchheister nannte einige hilfreiche und praktische Punkte, z.T. auch aus eigener Erfahrung, die ihr gerade in einem Leben mit MS wichtig geworden sind.

Hilfreich und ungemein erleichternd ist z.B. das Wissen, dass unsere Wertschätzung nicht durch die Anerkennung von anderen Menschen entsteht und daher unsere Leistung zählt, sondern dass Gott uns einfach so liebt wie wir sind. Er hat auch jeden von uns mit verschiedenen, eigenen Begabungen geschaffen und uns „unsere“ Berufung gegeben. Zu entdecken, welchen Plan Gott für mein Leben hat, welche Aufgaben er mir zugedacht hat, hilft, sich von anderem abzugrenzen. In großer Klarheit und Eindeutigkeit dann diesen Weg zu gehen und sich dabei dem anderen verständlich mitzuteilen, dazu machte Marion Buchheister Mut. Denn abgesteckte, aber nicht kommunizierte Grenzen führen zu großen Unverständnissen und Verletzungen. Niemand kann unsere Gedanken erahnen.

Eigene Grenzen zu beachten, dazu kann auch verhelfen, nicht schnell und direkt eine Antwort auf Fragen zu einer möglichen Mitarbeit und Übernahme von Aufgaben zu geben, sondern sich eine kurze und klar umschriebene Bedenkzeit zu erbeten, um zu Hause in den Kalender zu schauen, in Ruhe zu überlegen, eine Nacht zu schlafen, zu beten … und dann die Entscheidung auch sicher vertreten zu können.

Und schließlich können uns auch andere Menschen ein hilfreiches Vorbild sein, die genau solch einen Lebensstil leben und sich nicht permanent überfordern. Vor allem hat uns Jesus Christus in seinem Leben aber gezeigt, wie das Beachten der eigenen Grenzen, das Abgrenzen zu anderen Meinungen, Erwartungen und Maßstäben, das Leben der eigenen Berufung aussehen kann. Schon als heranwachsender Junge „musste“ er im Haus seines himmlischen Vaters sein und hat seine Eltern so in große Aufregung versetzt. Immer wieder hat er sich von den Menschenmassen bewusst entfernt und gelöst, um die Stille und das Gebet mit Gott zu suchen. Er hat noch nicht einmal die Erwartungen seiner Jünger erfüllt und sie heftig enttäuscht, als er den Weg ans Kreuz gegangen ist. Gerade darin hat er aber den Sinn und Auftrag seines Lebens treu gelebt.

An Jesus Christus sehen wir dann auch, dass das Beachten der eigenen Grenzen nicht egoistisch und selbstbezogen sein muss. Was natürlich eine Gefahr sein kann! Es gilt, soviel „Ja“ und Hingabe wie möglich zu leben und soviel „Nein“ und Rückzug wie nötig. Und sich auch von Erweiterungen unserer Grenzen überraschen zu lassen. Nicht einfach umzusetzen im Alltag – für gesund und chronisch krank, das wurde uns sehr deutlich. Aber dennoch eine lohnenswerte Herausforderung!

So hat uns dieses Treffen des Christlichen MS-Netzwerkes am 16. März 2013 in der EFG Herford mit 54 Teilnehmern viele Impulse gegeben. Die Gemeinschaft, das frohe Singen und Lachen, die körperliche Bewegung unter fachkundiger Anleitung mit Bällen und Schwungtuch und das Versorgt- und Verwöhnt-Werden taten so richtig gut. Wir haben den Tag genossen!

Ein herzliches Dankeschön an jeden, der uns unterstützt hat und zum Gelingen dieses Tages beigetragen hat!

Andrea Wiedner

Ein Artikel von Andrea Wiedner