Foto: David Vogt

Der Krieg in der Ukraine und die Frage nach Frieden

Gespräch am Küchentisch auf der Bundesratstagung

„Der Krieg in der Ukraine und die Frage nach Frieden: Was sollen wir denken und tun, hoffen und beten?“ war der Titel einer Gesprächsrunde auf der Bundesratstagung. Die Theologinnen und Theologen Anja Bär, Joachim Gnep, Jasmin Jäger und Peter Jörgensen setzten sich an einen eigens auf der Bühne aufgestellten Küchentisch, um – moderiert von Andrea und Friedrich Schneider – über diese Frage ins Gespräch zu kommen.

Recht persönlich nahmen die Gesprächsteilnehmerinnen und Gesprächsteilnehmer das Publikum hinein in ihre Biografie und welche Sichtweisen und Einstellungen sie zum Thema Krieg und Frieden im Laufe der Zeit entwickelt und auch geändert haben. Dabei spielten nicht nur Alter und Herkunft der einzelnen eine Rolle, sondern etwa auch die Begegnung mit Geflüchteten oder der eigene Aufenthalt in Kriegsgebieten, die die eigene Haltung auf den Prüfstand stellten.

Einig waren sich alle Gesprächsteilnehmerinnen und -teilnehmer, dass sie Gewalt ablehnen und sich trotzdem aufgefordert fühlen, bei Konflikten dazwischen zu gehen und sich einzumischen. „Da wo sich Gewalt ereignet, möchte ich nicht weglaufen, sondern hineingehen und Streit schlichten und Frieden stiften“, sagte Peter Jörgensen. Zum Thema Waffen und Kriegsgewalt wolle er sich politisch nicht positionieren, aus privater Sicht hingegen glaube er, dass Waffenlieferungen nicht weiterhelfen würden. Auch Anja Bär stellte fest: „Gewalt erzeugt immer neue Gewalt.“ Trotzdem könne sie sich nicht eindeutig gegen Waffenlieferungen in die Ukraine aussprechen. Wichtig sei ihr, so betonte sie, schon vor der Eskalation von Gewalt in der Gesellschaft und im eigenen Handeln und Sprechen Frieden zu erlernen. So würden Menschen befähigt, zu Friedensstiftern und Friedensstifterinnen zu werden.

Foto: David Vogt

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Jasmin Jäger lenkte den Blick der Zuhörerinnen und Zuhörer auf die unter 30-Jährigen in Deutschland, die weder die Weltkriege noch den Kalten Krieg aus eigenem Erleben kennen und nun große Angst vor dem Krieg haben. Auch sie selbst frage sich manchmal: „War das nur eine Illusion des Friedens, in der ich bisher gelebt habe?“ Joachim Gnep gab Einblick in seine innere Zerrissenheit, wenn er als Kriegsdienstverweigerer und Pazifist von seiner ukrainischen Familie höre, dass es für sie völlig klar sei, dass Waffen benötigt werden: „Beide Haltungen zur Waffenfrage haben dasselbe Ziel. Beide sind gleichzeitig jeweils mit grässlich grausamen Übeln verbunden. Mich zerreißt es. Dass es nicht nur eine Haltung dazu gibt, finde ich verständlich und sogar angemessen. Vielleicht kann es die eine Haltung nur geben, weil es jemanden gibt, der die andere vertritt?“ 

Fragen aus dem Publikum bezogen sich auf den Umgang mit Menschenrechten bzw. mit individueller Freiheit und Persönlichkeitsrechten weltweit. Eine der Rückmeldungen nahm Bezug auf den Theologen Dietrich Bonhoeffer, der als erklärter Pazifist trotzdem dazu aufforderte, „dem Rad in die Speichen zu fallen“, um Hitler zu stoppen. Müsse man nicht auch Putin entsprechend stoppen, so die Frage. Auch hier wurde an der Reaktion der Podiumsteilnehmerinnen und -teilnehmer deutlich, dass sich vom Ziel her alle grundsätzlich einig sind und nur über den Weg dorthin unterschiedliche Ansichten habe.

Ein ausführliches Gebet mit Bitte um Gottes Erbarmen schloss sich der Gesprächsrunde an.

Ein Artikel von Julia Grundmann