Früherer Jugendchor „imPuls“ trifft sich nach über 37 Jahren

Ist das hier ein Retro-Wochenende?

Der frühere Jugendchor „imPuls“, entstanden Mitte der 80er, traf sich 2023 für ein Wochenende im Allianzhaus Bad Blankenburg. Über die kurze, aber intensive Zeit des damaligen Chores und wie nun das Nachtreffen war, berichtet Uwe Hoeft. Nils Draehmpaehl und Esther Beyer erzählen, wie sie das Wochenende wahrnahmen.

Mit Vorfreude, gemischt mit Erinnerungen, fahre ich den Berg zum Allianzhaus in Bad Blankenburg hinauf. Fast 35 Jahre bin ich nicht mehr hier gewesen. Die Erinnerung an die damalige Allianzkonferenz ist noch lebendig und auch an den Beitrag des Jugendchores „imPuls“ und das Konzert mit Scott Wesley Brown, einem amerikanischen Sänger aus Nashville. Das war damals ein Novum für die Allianzkonferenz.

An diesem Wochenende treffen sich 26 ehemalige Mitglieder des „Zentralen Jugendchores im Bund Ev.-Freikirchlicher Gemeinden der DDR“, später bekannt als Jugendchor „imPuls“. Die Idee entsteht Mitte der 80er Jahre nach sommerlichen Singerüsten - ein Jugendchor mit Band, der durch Aufnahmeprüfungen eine gute Qualität haben soll. Uwe Nürnberger aus Dresden und Hartmut Stiegler aus Berlin starten das Projekt. Um es kurz zu machen – es wurde ein Chor mit breitem Programm in hoher Qualität.

Was ist das Besondere an dem Chor, der nur ca. 7 Jahre existiert hat? Es sind die besonderen gemeinsamen Erlebnisse, die intensive Gemeinschaft und natürlich die Freude an der Musik. Und es ist die besondere Zeit vor und nach der Wende.

Ein paar Highlights aus der Geschichte. 

Nach einer Rüste an der Ostsee soll in der nahegelegenen Kirche ein Konzert veranstaltet werden. Als die ersten Chormitglieder eintreffen, kommen sie in eine verstaubte Kirche, die Ostern zum letzten Mal benutzt wurde. Während ein Teil die Bänke putzt, gehen andere zum nächsten Campingplatz und laden die Leute ein. Die Kirche wird voll und dem Pfarrer kommen die Tränen, als er die vielen Menschen in seiner Kirche sieht.

Für den Sommer 1989 wird eine Konzertreise mit dem Oratorium „Alpha & Omega“ mit und von Adrian Snell durch die DDR, Tschechoslowakei und nach Ungarn zum Europakongress der EBM geplant. Die politische Situation ist angespannt. Wird die Regierung für 40 Jugendliche eine Konzertreise ins sozialistische Ausland genehmigen? Oh Wunder - die Reise wird genehmigt und ein Bus der Berliner Verkehrsbetriebe kann angemietet werden. Dazu kommen Adrian Snell aus England, Randall Bane aus den USA und eine Sound & Lichtfirma aus Holland.

Die Kirchen und Konzertorte sind immer voll und man spürt, wie die Zuhörer die Botschaft aufnehmen. Die letzten Konzerte sind Ende Juli in Ungarn. Die ersten Nachrichten über die Öffnung der Grenze haben sich herumgesprochen. Da liegt für einige der Gedanke nah, sich abzusetzen und nicht noch 45 Jahre zu warten, bis man in den Westen fahren kann. Alle fahren, einige nach intensiven Gesprächen, wieder zurück.

Die nächste große Konzertreise mit „Alpha & Omega“ wird 1991 für Polen, Litauen, Lettland und Estland geplant. Die baltischen Staaten gehören noch „offiziell“ zur Sowjetunion. Die Reise beginnt und die Konzerte in Deutschland und Polen finden wie geplant statt. Nach dem Passieren der Grenze zu Litauen, erfahren wir über BBC, dass in Moskau gerade ein Putsch gegen Michail Gorbatschow stattfindet. Auf den Straßen ist Militär zu sehen und wir legen eine ungeplante Nacht in Vilnius ein. 

Ein sehr bewegender Augenblick geschieht während des Konzerts im Stadttheater von Šiauliai, der drittgrößten Stadt Litauens: Wir hatten ein litauisches Lied einstudiert. Als wir beginnen zu Singen, erheben sich augenblicklich alle Zuschauer und singen aus ganzem Herzen mit – es war eine bis dahin verbotene litauische Hymne, das hatten wir gar nicht gewusst. Später hören wir das Dröhnen von Militärflugzeugen über dem Theater. Ein paar Tage später, als wir in Estland ankommen, rufen die baltischen Staaten ihre Unabhängigkeit aus. Da gibt es Wichtigeres, als ein Konzert zu besuchen.

Die abschließenden Konzerte in Tallin und Riga sind beeindruckend und die Atmosphäre ist befreit wie zwei Jahre zuvor beim Fall der Mauer in Berlin. 

Nein, das Wochenende in Bad Blankenburg ist kein rührseliges Retro-Wochenende, sondern eine neue Perle an der imPuls-Kette. Wir singen alte und neue Lieder, beten Gott an, tauschen neue und alte Erlebnisse aus, nehmen Anteil aneinander, begegnen uns beim spazieren, beten, fürstlichen Essen und in fröhlichen Runden. Ich kann gar nicht alles aufzählen - es war ein sehr schönes, reiches Wochenende.

Uwe Hoeft

Zwei Teilnehmendenstatements

Für mich war meine imPuls-Zeit eine sehr emotionale Zeit. Ich war 17/18, die Wende in vollem Gange und meine Schulzeit gerade vorüber. Da boten der gemeinsame Glaube und die gemeinsame Musik einen Anker in einer sehr unruhigen Zeit.
Nach mehreren Jahrzehnten an einen Ort wie Bad Blankenburg zu kommen, der auch in der imPuls-Geschichte eine Rolle spielt; in einen Raum zu kommen, wo die Gesichter zwar von der Zeit gezeichnet sind, aber doch so vertraut wirken und dann gemeinsam Lieder zu singen, die Ihre Aussagekraft kein bisschen verloren haben und so vertraut sind – das katapultiert jeden mit allen Sinnen auf eine Reise durch Erinnerungen. Es tat gut, diese auszutauschen und sich an Wegbegleiter zu erinnern, Lebensgeschichten zu teilen und zusammen nach vorn zu sehen. Wobei auch im Jugendchor imPuls mittlerweile die Frage: Was fängst Du mit Deinem Ruhestand an?, immer mehr Gewicht bekommt. 

Und damit man auch weiter in Verbindung bleibt, freuen wir uns auf das Jahr 2026. Da feiern wir nämlich unser 40jähriges Gründungsjubiläum.

Nils Draehmpaehl (Wismar / Hamburg)

 

Für mich war es ein sehr intensives Wochenende mit tollen, offenen Begegnungen, mit intensiven Gesprächen, mit „zweitschönsten“ alten Liedern mit optimalem Aufwand wieder in guter Qualität gesungen, auch mit wunderbaren neueren Liedern, mit dem Herzen beieinander und bei Gott, mit einem wunderschönen Backround - dem Allianzhaus in Bad-Blankenburg mit seinen auch heute bedenkenswerten Werten, mit gegenseitiger Fürsorge und einem liebevollen Umgang miteinander, mit schönen Tisch-Gesprächen, lustigen Kanons… ich könnte weiter schwärmen und bin noch ganz erfüllt.

Esther Beyer (Dresden / Radebeul)

Ein Artikel von Uwe Hoeft