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Gerechtigkeit als sichtbares Zeichen von Gottes Reich

Jahrestagung: Baptistischer Weltbund setzt sich gegen Rassismus ein

Über 600 Baptistinnen und Baptisten aus mehr als 65 Ländern nahmen vom 10. bis 15. Juli an der Jahrestagung des Baptistischen Weltbundes (BWA) im US-Bundesstaat Alabama teil, 150 von ihnen online. Nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause befassten sich die Teilnehmenden, darunter drei Delegierte aus Deutschland, bei der ersten hybriden BWA-Konferenz schwerpunktmäßig mit der Frage, wie Christen sich für die Gleichbehandlung von Menschen – unabhängig von deren Hautfarbe und Kultur – einsetzen können.

Erklärtes Ziel der Konferenz war es, sich theologisch mit Gerechtigkeit auseinanderzusetzen und Werkzeuge zu entwickeln, wie die BWA, ihre Mitgliedsbünde und deren Gemeinden sich für Gleichbehandlung einsetzen können. Im Eröffnungsgottesdienst wurde der berühmte Baptistenpastor und Menschenrechtler Dr. Martin Luther King zitiert: „Unsere Generation wird eines Tages nicht nur die hasserfüllten Worte und Taten der schlechten Menschen zu bereuen haben, sondern auch das furchtbare Schweigen der guten.“ Dem habe die BWA schon immer etwas entgegengesetzt und werde es in dieser herausfordernden Zeit weiterhin tun, so die Botschaft.

Die BWA-Arbeitsgruppe für ethnische Gerechtigkeit, zuständig für die inhaltliche Planung der Konferenz, hatte das Grundsatzpapier „Ausgleichende ethnische Gerechtigkeit – ein Ruf zu aufblühender Gerechtigkeit“ verfasst, das von den Delegierten der Konferenz einstimmig angenommen wurde. Auch die auf Basis des Papiers entwickelte Resolution „Ausgleichende ethnische Gerechtigkeit“ verabschiedete die Konferenz. Darin wird festgehalten, dass weltweit zu beobachtende Entwicklungen „ein erneuertes Engagement für die zeitlosen Prinzipien ethnischer Gerechtigkeit und menschlicher Freiheit erfordern, basierend auf der grundlegenden theologischen Überzeugung, dass alle Menschen in Gottes Bild gemacht sind und es deshalb verdienen, mit Respekt behandelt zu werden und aufblühende Gerechtigkeit zu genießen“. Die Resolution schließt mit der Empfehlung, dass alle Baptisten das Grundsatzpapier studieren und sich vor Ort in ihren Kommunen dafür einsetzen sollen. Die Delegierten verabschiedeten eine weitere Resolution zum Schwerpunktthema der Konferenz. Diese beschreibt „eine biblische Grundlage für Reparationsleistungen für von Menschenhandel Betroffene“ und erkennt an, dass es an vielen Orten und in vielen Nationen auch heute noch „Auswirkungen von Menschenhandel“ (im Original „slavery“, also Sklaverei) gibt.

Bryan Stevenson

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Austausch Baptist World Aid

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National Memorial for Peace and Justice

Foto: Jonathan Kedaj

Zwei weitere Resolutionen, die von den Delegierten verabschiedet wurden, befassen sich mit der Situation in der Ukraine sowie in Myanmar. Die Ukraine-Resolution verurteilt die „nicht provozierte und ungerechtfertigte Invasion des souveränen Staates Ukraine durch Russland“ und ruft „die EU, die G7 und andere internationale Zusammenschlüsse zu einer Verdopplung ihrer Unterstützung für die Ukraine“ auf. Die Resolution lobt den Einsatz des ukrainischen Baptistenbundes und der Bünde anderer Länder sowie der Europäischen Baptistischen Föderation (EBF) und der BWA für Geflüchtete. Die Myanmar-Resolution verurteilt den Militärputsch vom Februar 2021. Seitdem sei die Gewalt in ihrem Land eskaliert und habe zu unermesslichem Leid geführt, wie die Präsidentin des Asiatischen Baptistischen Frauenbundes, Vernette Myint Myint San, berichtete. Die Resolution fordert für Myanmar „eine echte Demokratie, in der die Rechte religiöser und ethnischer Minderheiten geachtet werden“.

Der Einsatz gegen Rassismus wurde während der Konferenz von ganz unterschiedlichen Seiten beleuchtet. So lud etwa das BWA-Hilfswerk Baptist World Aid zu einem Gespräch zum Thema „Entkolonialisierung von Hilfsprojekten: eine Frage der Gerechtigkeit“ ein. BWAid-Direktorin Marsha Scipio betonte, es gelte, versteckte Strukturen der Benachteiligung niederzureißen: „Es ist für unseren Sektor herausfordernd, sich zu transformieren, indem Befugnisse und Ressourcen an die Menschen vor Ort übergeben werden.“

Der Menschenrechtspreis der BWA wurde an Dr. Daniel L. Buttry übergeben. Thomas Klammt würdigte den Baptistenpastor, Leiter und Missionar in seiner Laudatio dafür, dass er weltweit als Anwalt für Versöhnung tätig war. Mit seinem Lebenswerk „Peace Warriors“ (Friedenskrieger) hat sich Buttry für Gewaltlosigkeit und Frieden eingesetzt und war weltweit als Mediator tätig. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit lag in Indien und Myanmar. Dort, im ehemaligen Burma, wirkte er unter anderem von 1989 bis 1992 als einziges nicht-burmesisches Mitglied im Friedenskomitee mit, das zwischen der Militärregierung und Aufständischen vermittelte. Später leitete er dort ein internationales Team, das den Prozess der Versöhnung unterstütze.

Abschlussgottesdienst

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Dr. Elijah Brown

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Preisträger Dr. Daniel Buttry

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Neben Klammt, der als Referent für Integration und Fortbildung für den BEFG arbeitet und der BWA-Exekutive angehört, waren auch der Student Jonathan Kedaj und Prof. Dr. Andrea Klimt von der Theologischen Hochschule Elstal bei der Jahrestagung dabei. Klimt arbeitet in den BWA-Kommissionen „Theologische Ausbildung“ und „Baptistische Spiritualität und Anbetung“ mit. „Auch in den Kommissionen wurde überwiegend zum Thema Rassismus gearbeitet“, so Klimt. Eine Arbeitsgruppe habe sich etwa damit befasst, wie in multiethnischen, multikulturellen und missionsorientierten Kontexten – sensibel für Rassismus – über Gerechtigkeit gepredigt werden kann. Auch ging es um die Frage, wie man mit künstlerischen Elementen wie Musik oder Bildern mit Menschen arbeiten kann, die durch Rassismus traumatisiert wurden. „In den einzelnen Arbeitsgruppen bin ich hautnah mit der leidvollen Erfahrung meiner afroamerikanischen Geschwister und der Geschwister aus den Kolonialländern in Berührung gekommen und auch mit ihrer Freude über die verabschiedeten Resolutionen“, so Klimt. „Die Hoffnung auf Veränderung war spürbar, und wir selbst sind ein Teil dieser Veränderung, wenn wir uns für Gerechtigkeit, Versöhnung und Reparationen einsetzen.“

Im „National Memorial for Peace and Justice“ in Montgomery (Alabama), der nationalen Gedenkstätte der Vereinigten Staaten für die Opfer der rassistischen Lynchjustiz in dem Land, fand am Ende ein Gottesdienst statt. Bryan Stevenson, der die Errichtung der Gedenkstätte maßgeblich vorangetrieben hatte, sagte in seiner Predigt: „Ich bin überzeugt, dass das Gegenteil von Armut Gerechtigkeit ist.“ Stevensons Worte hätten ihn besonders beeindruckt, so der Elstaler Student Jonathan Kedaj, der als Mitglied der BWA-Initiative für Religionsfreiheit 21Wilberforce an der Jahrestagung teilnahm: „Bryan Stevenson setzt sich als Anwalt und Bürgerrechtler für die Rechte Verurteilter ein. Seine Predigt legte den Finger auf Rassismus, Ungleichheit und Machtmissbrauch.“ BWA-Präsident Dr. Tomás Mackey, Generalsekretär Dr. Elijah Brown und andere BWA-Offizielle formulierten eine Selbstverpflichtung der BWA im Einsatz gegen Rassismus. Mackey sagte: „Als Gottes Volk kommen wir aus allen Himmelsrichtungen zusammen, als Repräsentanten der baptistischen Familie, und geloben feierlich in der Gegenwart des dreieinen Gottes, Gerechtigkeit im Allgemeinen, speziell jedoch ethnische Gerechtigkeit hochzuhalten als ein sichtbares Zeichen von Gottes Reich.“

Ein Artikel von Dr. Michael Gruber mit Originalmeldungen von Merritt Johnston (BWA)