„Nur noch kurz die Welt retten“

Konvent der Pastoren und Diakone in Willingen

Vom 16. bis 19. März 2015 trafen sich die Pastoren und Diakone im BEFG zu ihrem ersten gemeinsamen Konvent. Für die 480 ordinierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon etwa vierzig Diakone, war die Konferenz in Willingen herausfordernd – nicht weil es (wie in dem titelgebenden Lied von Tim Bendzko) um Zeitmanagement ging. Auch die apokalyptische Frage, wie viel Zeit es denn noch zur Rettung der Welt gibt, kam nur am Rande vor. Zuallererst ging es um das praktische Wirken in die sich ständig verändernde Welt hinein. Christoph Schirrmacher, Pastor der EFG Geretsried, berichtet. 

Das Eröffnungsreferat hielt Prof. Dr. Ralf Dziewas (Elstal) über „Das Reich Gottes – Arbeitsauftrag oder Jenseitshoffnung?“. Dabei ging er auf die Bedeutung der Vorstellungen vom Reich Gottes für die Sozialethik ein. Das Reich Gottes beginne mit dem Wirken Jesu, vollständig umgesetzt jedoch werde es erst mit der Wiederkunft des Auferstandenen, so Dziewas. Bis dahin sei die Vollendung nur als Utopie vorweg genommen, an der sich Reden und Handeln der Gemeinde orientiere. Die Herrschaft Gottes werde dort erlebbar, wo Menschen, die die befreiende Gnade Gottes erfahren haben, diese heute schon praktisch umsetzten. Die Gemeinde lasse sich dabei von Jesu Kommunikationsweise des Reiches Gottes inspirieren, nämlich von der Verkündigung in Bildern und Gleichnissen, des diakonisch-helfenden und befreienden Handelns und dem Feiern mit an den Rand Gedrängten, so der Prorektor der Theologischen Hochschule Elstal.

In den folgenden Referaten wurde die Umsetzung dieser Überlegungen in den einzelnen Themengebieten der Sozialethik ausgeführt. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Prof. Dr. Adelheid Biesecker (Bremen) sprach über Leitlinien für gerechtes globales Wirtschaften: „Nachhaltigkeit, gutes Leben und Vorsorgen“. Da im Kapitalismus wirtschaftliches Wachstum letztendlich auf Kosten von Mensch und Umwelt gehe, seien neue zukunftsfähige Leitlinien notwendig, ebenso Grundsätze der Nachhaltigkeit, eines guten, von Gerechtigkeit bestimmten Lebens und Vorsorge (Übernahme von Verantwortung für die Zukunft).

Prof. Dr. Friedrich Lohmann von der Universität der Bundeswehr in München beschäftigte sich in seinem Referat mit dem Schutz der natürlichen Ressourcen als Thema christlicher Ethik: „Wie weit reicht die Gerechtigkeit?“ Von Römer 8,20 f. und 1. Mose 1,26 ff. ausgehend betonte er sowohl das Miteinander des Menschen und der übrigen Schöpfung als auch die besondere stellvertretende treuhänderische Verantwortung des Menschen für die Schöpfung. Der Schutz natürlicher Ressourcen sei dabei auch Grundlage eines fairen zwischenmenschlichen Umgangs. Fehlender Klimaschutz in reichen Ländern habe schon heute negative Auswirkungen auf Lebensumstände in den ärmsten Ländern. Lohmann verwies auch auf seiner Meinung nach fragwürdige theologische Priorisierungen. So sei z.B. in der baptistischen „Rechenschaft vom Glauben“ zwar allgemein davon die Rede, dass „Christen ihre Verantwortung für Bestand und Schutz der Schöpfung ernst(nehmen)“, aber wenn es dann im Bekenntnis um konkretes Verhalten ginge, würden nur der zwischenmenschliche Umgang (z.B. Ehe- und Familienethik) angesprochen, nicht aber die Umweltethik. Am Ende der Ausführungen Lohmanns stand der Appell, Hinderungsgründe zu hinterfragen und zu einem Zeugnis für umweltgerechtes Handeln zu werden.

Es folgte ein Doppelreferat mit Prof. Dr. Fernando Enns (Hamburg) und Pascal Kober (Reutlingen) zur „Friedensethik.“ Der Mennonit Enns vertrat im Geiste der Bergpredigt die Ablehnung von Gewalt zur Lösung von Konflikten. Auf Nachfrage unterschied Enns zwischen legitimer polizeilicher und illegitimer militärischer Gewalt. Die Differenzierung sei nicht immer einfach, darauf müsse man sich jedoch einlassen, um einer „billigen Gnade“ entgegenzuwirken. Kober hingegen hob als Militärpfarrer im Sinne von Römer 13 die grundsätzliche Notwendigkeit von Militäreinsätzen zur Sicherung des Friedens hervor. Da die unerlöste Menschheit in einer unerlösten Welt nicht auf Gewalt zur Sicherung des Rechts verzichten könne, so Kober, dürften sich Christen gerade an dieser Stelle nicht verweigern.

Ergänzt wurden die Referate durch ein großes Spektrum an Workshop- und Seminarangeboten, in denen die Praxis der Sozialethik im Vordergrund stand und Anregungen für den Berufsalltag gegeben wurden, z.B. von dem baptistischen Pastor Jens Stangenberg (Bremen), der das von ihn mitinitiierte Programm „Serve the City“ vorstellte.

Auf dem Konvent wurden auch wichtige gemeinsame Fragen besprochen. Im Bericht des Vertrauensrates der Pastorenschaft wurde u.a. die Notwendigkeit von regelmäßigen Feedbackgesprächen für Pastoren und Gemeindeleitungen betont. Viele Konflikte könne man dadurch frühzeitig klären. In einer Aussprache zum Bericht wurde u.a. festgestellt, dass auf Seiten der Gemeindeleitungen oft ein hoher Fortbildungsbedarf bestehe. Als Vorsitzende des Vertrauensrates wurden Petra Reinecke (Wedel), Udo Hermann (Erfurt) und Manuel Lüdin (Rostock) gewählt.

Des Weiteren gab es auf dem Konvent zwei Kulturabende. Der eine wurde auf sehr sensible Weise von der Johannes-Falk-Band gestaltet, außerdem präsentierte sich der Comedian Torsten Hebel (Berlin). Mit seinem Programm machte er sich auch zum Anwalt der Gottesdienstbesucher und sprach sich für mehr Humor auf der Kanzel aus.

Insgesamt waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit dem Konvent sehr zufrieden. Pastoren und Diakone können sich auch für die Zukunft die Form eines gemeinsamen Konvents vorstellen. Michael Job, Vorsitzender des Konvents der Diakoninnen und Diakone, freut sich über die offene Tür von Seiten der Pastorenschaft. Es sei in diesen Tagen das Bewusstsein dafür gewachsen, dass sich beide Berufsgruppen in ihrem Dienst für das Reich Gottes ergänzen. Diese Begegnung auf Augenhöhe sei eine Erfahrung, die Diakoninnen und Diakone zunehmend mit „ihren“ Pastoren machen würden.

Ein Artikel von Christoph Schirrmacher