„Warum EBF – Verwurzelt in der Zukunft“

Bericht von der Ratstagung der Europäischen Baptistischen Föderation

Vom 21. bis 24. September fand die jährliche Ratstagung der Europäischen Baptistischen Föderation (EBF), einem Zusammenschluss von baptistischen Bünden aus Europa, Zentralasien und dem Nahen Osten im lettischen Riga statt. Zeitgleich trafen sich auch die Verantwortlichen der baptistischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zu ihrer jährlichen Konferenz CONNECT. Die Teilnehmenden beider Versammlungen tauschten sich in den Tagen zu dem Motto der Veranstaltungen „Warum EBF – Verwurzelt in der Zukunft“ aus.

Eröffnet wurde das Council mit einem Gottesdienst in der Matthew Church im Zentrum Rigas. Eine Gemeinde mit zeitgenössischem Lobpreis und einer ganzheitlichen Mission, wie sie auch der Bischof des Bundes der Baptistengemeinden Lettlands Kaspars Sterns in seiner Predigt über den Einzug in das gelobte Land betonte: „Auch wenn die Zeiten herausfordernd sind und die Probleme uns wie die Riesen erscheinen, von denen die Kundschafter dem Volk Israel erzählt haben, dürfen wir nicht flüchten oder sagen, wir haben keine Chance. Wir haben uns heute mit Gott der Situation zu stellen und den Namen des Herrn bekannt zu machen, verbunden mit einem Verständnis von Mission, das den ganzen Menschen in den Blick nimmt.“ Hier war die Nähe des Baltikums zu Russland und damit die ganz andere Betroffenheit der lettischen Baptisten durch die Invasion deutlich spürbar.

Das diesjährige EBF-Council war in mehrfacher Hinsicht eine „Prämiere“. Es war das erste Council unter der Leitung des neuen Generalsekretärs Alan Donaldson. Und zum ersten Mal trafen sich die Delegierten der EBF-Bünde mit den Verantwortlichen der EBF Kinder- und Jugendarbeit. Gemeinsam gingen sie an den Vormittagen an „Runden Tischen“ den Fragen des neuen Generalsekretärs nach. Nach den Bibelarbeiten, die sich an Micha 6,8 orientierten („handle gerecht“ – Donnerstag; „wandle demütig“ – Freitag; „Barmherzigkeit lieben“ – Samstag) gab es zunächst einen kurzen Input des Generalsekretärs und dann wurde miteinander gearbeitet.

Am ersten Tag ging der Blick zurück in die sehr spannende Geschichte der EBF. Es wurde deutlich, dass es den Gemeindebünden trotz politischer und nationaler Differenzen gelang, einander Hilfe und Unterstützung zu sein. Das reicht von der Gründung der EBF kurz nach dem zweiten Weltkrieg 1949 bis zum Invasionskrieg in der Ukraine durch Russland heute. Nach diesem Rückblick stellte der neue Generalsekretär die provokante Frage in den Raum: „Warum EBF?“, und dann tauschten sich die Teilnehmenden an den runden Tischen zu folgenden Fragen aus: „Was sind die die größten Ermutigungen, die ihr erfahrt? Was sind die größten Herausforderungen, denen ihr gegenübersteht? Wie handelt Gott gerade jetzt in Europa? Was benötigt dein Bund über die eigenen Ressourcen hinaus?

Die Ergebnisse dieser Austauschrunden waren die Grundlage für den nächsten Tag, an dem alle Teilnehmenden eine Stärken-Schwächen-Analyse der EBF an den „Runden Tischen“ durchführten. Als Stärken wurden vor allem ein hohes Maß an Zusammenarbeit, Freundschaft und gegenseitiger Unterstützung, auch durch die internationalen Partner der EBF, ausgemacht. Herausforderungen sind die Themen, die unausgesprochen wie Elefanten im Raum stehen. Hier handelt es sich einerseits um ethische Themen und andererseits um die vorhandene theologische Spannweite zwischen Ost und Welt. Deutlich wird das z.B. am Thema Rolle von Frauen in den Gemeinden. Unter anderem an diesem Thema arbeitet die EBF-Kommission „Theologie und Ausbildung“. Sie hat in den vergangenen Wochen das Projekt „Gemeinsam Dienen“ durchgeführt. Vertreterinnen und Vertreter der einzelnen Bünde waren per Zoom dazu eingeladen, einander zu erzählen, wie in dem jeweiligen Bund die Zusammenarbeit von Frauen und Männern in Gemeinde und Bund gelingt. Dass das Zoom-Meeting als „Hörereignis“ und nicht als Diskussionsrunde gestaltet war, zeigt schon, wie sensibel innerhalb der EBF mit polarisierenden Themen umgegangen wird.

Samantha Mail, Vorsitzende des EBF Youth and Children Committees

Friedensgebet

EBF Generalsekretär Alan Donaldson

Ein zentrales Thema des Councils waren die Hilfeleistungen durch die EBF und ihre Partner in der Ukraine. Durch die Struktur und das Personal der EBF, die ursprünglich keine Hilfsorganisation ist, war es schnell möglich, Hilfsgüter in die Ukraine und durch die ukrainischen Gemeinden der ukrainischen Bevölkerung zukommen zu lassen, ebenso auch durch die Gemeinden der umliegenden Länder, vor allem Polen und Rumänien.
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CONNECT

Auf Englisch gibt es die Redewendung Absence makes the heart grow fonder, was so viel bedeutet wie Das Herz wächst, wenn man sich lange nicht sieht.  

Ich liebe dieses Sprichwort. Das Herz, das mit seinen Aufgaben wächst – vermissen, verpassen, aushalten von Verlust. Die Coronajahre haben unseren Herzen viel von alledem abgefordert und mussten, ob sie nun wollten oder nicht, an diesen Aufgaben wachsen.

So konnten auch wir uns, als diejenigen, die in der EBF mit dem Fokus auf Jugendliche und Kinder sich normalerweise jährlich zur CONNECT Konferenz treffen, schon seit Tallinn 2020 nicht mehr in die Arme schließen. Umso größer war die Freude, als jetzt über 30 Mitarbeitende der Kinder- und Jugendarbeit aus gut 20 verschiedenen Ländern sich in Riga zeitgleich mit dem Rest der EBF-Familie wieder versammeln konnten, um gemeinsam unterwegs zu sein, sich in die Augen zu schauen, auszutauschen und danach zu suchen, wie Gemeinde für junge Menschen relevant sein kann. Vier großartige Tage, in denen wir gemeinsam als EBF uns unserer eigenen Geschichte und auch unserer Zukunft zugewandt haben. Der Wert und das hohe Gut dieses Netzwerkes an Beziehungen und Unterstützung ist wohl momentan deutlicher denn je zuvor. Ein Netzwerk, das Hoffnung, Gebet, Solidarität und praktische Unterstützung verkörpert und lebt. Und dieses Netzwerk lebt, in dem wir immer wieder investieren, wenn wir uns, wie jetzt in Riga, sehen oder aber auch, wenn wir gemeinsam mit unseren ukrainischen Geschwistern danach Ausschau halten, wie wir ihnen dabei helfen können, Wiederaufbauarbeit zu leisten, wenn der Krieg vorbei ist. Mein Wunsch als Vorsitzende des EBF Youth an Children Committee  ist es, dass wir Gemeinden und Baptisten Bünde dabei unterstützen, Orte zu sein, an denen sich Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zu Hause fühlen, wo sie den Raum bekommen Kirche so zu leben, das es sich für sie und all diejenigen, mit denen sie unterwegs sind, nach Leben in der Fülle anfühlt und Jesus immer mittendrin ist. 

Samantha Mail, Vorsitzende des EBF Youth and Children Committees
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„Warum EBF – Verwurzelt in der Zukunft“:

Dieses Council zeichnete sich durch eine hohe Partizipation der Teilnehmenden aus. Delegierte der Bünde und Verantwortliche ihrer Kinder- und Jugendarbeit haben gemeinsam — aus der guten bisherigen Zusammenarbeit in der EBF heraus — Hoffnung für die Arbeit in der Zukunft geschöpft. Hoffnung, dass Freundschaft und geschwisterliche Verbundenheit stärker sind als politische, nationalistische oder auch theologische Spannungen.

Was Alan Donaldson auch in seinem Bericht deutlich machte: „Durch das Handeln der EBF haben wir die Schönheit und das Potenzial der EBF-Familie angesichts böser Brutalität miterlebt. Ein Licht in der Dunkelheit. Hoffnung angesichts der Hoffnungslosigkeit.“

Ein Artikel von Prof. Dr. Andrea Klimt