Vorwort Bund aktuell Nr. 7 | 6. Juli 2023

Liebe Leserin, lieber Leser,

„Ich bete für Dich!“ – diesen Satz habe ich schon oft gehört. Ausgesprochen wurde er meistens von Menschen, denen ich am Herzen liege und die ein Interesse an mir haben. Dieser kleine Satz hat mir immer gutgetan und mich begleitet, wenn ich in schwierige Situationen gegangen bin, mich Herausforderungen stellen musste, mich einsam gefühlt habe. „Ich bete für Dich!“ – da gehen Menschen in Gedanken mit, wünschen mir Gutes, wollen mich stärken und aufbauen. Ich soll zuversichtlich sein und wissen, dass es da eine höhere Vernunft gibt, die mich begleitet und trägt und wir in Gott verbunden bleiben. Ich muss mich stellen, was immer jetzt auch dran ist, aber andere denken, beten, glauben und tragen mit. Was für ein Glück!

Und ist es geschafft, die Situation bewältigt, die Herausforderung überwunden, dann fällt es mir wieder ein, dass ich irgendwie getragen und gehalten war. „Ich bete für Dich!“ Dieser Satz hat seelsorgerliche Kraft und bringt mich mit meinem Leben in die Gegenwart Gottes. Andere tun es und ich tue es für andere. Das ist Gemeinschaft, das ist Anteilnahme, das ist der Glaube daran, dass die Welt nicht ohne Gott ist, auch bei dem Herausfordernden des Lebens.

Und nun setzt der Monatsspruch für Juli 2023 noch einen drauf. Jesus sagt im Zusammenhang mit der Bergpredigt dieses Wort: „Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet“ (Matthäus 5,44-45). Dass andere für mich beten und ich es umgekehrt auch tue, ist doch klar. Die Menschen, die in diesem Beziehungsgeflecht auftauchen, sind Familie, Freunde, Gemeinde und andere. Feinde, Menschen, die mich ablehnen, vermute ich eher nicht unter diesen Beterinnen und Betern für mich und ich komme auch nicht drauf, für sie zu beten. Da schleichen ganz andere Gedanken in meinen Kopf und in mein Herz, die nicht unbedingt von Wohlwollen gekennzeichnet sind. Aber Jesus sagt es so. Ich soll auch für die beten, die mir nicht wohlgesonnen sind. Ja, noch mehr, ich soll an deren Ergehen emotionalen Anteil nehmen. Dabei gehen meine Emotionen eher in eine andere Richtung als in Zuneigung, Wohlwollen oder Liebe. Aber Jesus sagt es und er sagt es nicht ohne Grund.

Der Satz: „Ich bete für Dich!“ setzt ja immer ein Interesse und ein Wohlwollen der Beterin oder des Beters voraus. Dass Menschen für mich beten, weiß ich. Ich weiß auch, dass Menschen es tun, ohne es mir zu sagen. Dieses Wissen verändert mein Leben, schenkt mir Zuversicht und Stärke und lässt mich hoffen. Könnte diese therapeutische Wirkung auch bei denen funktionieren, denen ich eher weniger Gutes wünschen würde, weil sie Böses tun, mich belasten und behindern und so ganz anders sind? Könnte es sein, dass sich auch in meinem Verhalten etwas ändert, wenn ich die, die mich mit ihrer weniger freundlichen und manchmal auch bedrohlichen Art gleichsam verfolgen?

Ich sollte es einmal wagen. Ich muss es versuchen, mir Menschen in die Gedanken zu holen, die ich vielleicht nicht unbedingt als Feinde, aber auf gar keinen Fall als Freunde bezeichnen würde. Es heißt dann wohl, zumindest gedanklich, auszubrechen aus einem System, in dem die anderen Menschen bei mir in einer Schublade sind. Es fällt nicht leicht, gute Worte zu formulieren, aber wenn es ein Gebet ist, ist Gott mein Gegenüber und der hört nicht nur meine Worte, sondern sieht in mein Herz und weiß, wie ich es meine. Ihm kann ich auch sagen, was mich am anderen Menschen stört und ärgert. Aber dann ändert sich die Perspektive. Ich mache mir gute Gedanken, so wie ich es den Freunden gegenüber auch tue, und entdecke dabei, dass die Konfrontation schwindet und sich eine neue Wahrnehmung des anderen Menschen einstellt. Nicht er oder sie verändert sich zuerst, sondern ich. Ich merke, wie meine Geborgenheit in Gott wächst, weil ich meinen Zorn und meinen Ärger, meine Angst und meine Vorbehalte abgeben kann. „Kinder eures Vaters im Himmel werden“, hat Jesus das genannt.

Wenn ich für die anderen Menschen bete, wächst zuerst meine Gottesbeziehung, weil ich weiß, dass Gott Menschenherzen verändern kann, meines und die meiner vermeintlichen Feinde auch. Ich muss es diesen Menschen nicht sagen, ich muss es einfach tun. Und so nach und nach kann mein Beten die Welt verändern, meine kleine und die große und ganze auch.

Die Urlaubszeit hat begonnen. Viele werden in diesen Tagen verreisen. Erholung ist angesagt. Vielleicht ist es dann auch eine gute Idee, dieses Wort und den Auftrag Jesu darin mit ins Reisegepäck zu nehmen und in den stillen und erholsamen Momenten des Urlaubs damit anzufangen, für die Menschen zu beten: für die Freunde und die Familie, für das eigene Lebensumfeld und natürlich auch für die Gemeinde, aber dann auch für die anderen Menschen, Feinde oder Störenfriede oder was auch immer sie sind. Ich werde mich verändern und vielleicht, Gott mag es schenken, die anderen Menschen auch. In konzentrischen Kreisen darf ich betend für Menschen und die Welt eintreten und darauf hoffen, dass Gott letztlich derjenige ist, der Veränderungen möglich macht, und sein Segen sich über alle ausbreitet, für die ich und andere eintreten.

Ich wünsche allen eine gute und erholsame Urlaubszeit und genügend Zeit und Raum, gute Gedanken zu haben, zuerst für die Familie und die Freunde, aber dann für die anderen auch. Das eigene Leben und die Welt werden sich zum Guten hin verändern.

Michael Noss
Präsident