Vorwort Bund aktuell Nr. 10 | 12. Oktober 2023

Liebe Leserin, lieber Leser,

Wenn es für Christinnen und Christen in diesen Tagen eine Aufgabe gibt, dann ist es genau die, von der der Monatsvers für Oktober spricht: „Seid Täter des Wortes und nicht Hörer allein; sonst betrügt ihr euch selbst.“ (Jakobus 1,22) Der Jakobusbrief, ein später Brief des Neuen Testaments, beschäftigt sich mit der Frage eines Glaubens, der sich auch tätig zeigen muss. Luther hatte mit dieser Epistel, die er stroherne nannte, so seine Mühe, stand doch der Anspruch des Jakobus gegen die Entdeckung der Rechtfertigung allein aus Glauben und redete in seinen Augen der katholischen Werkgerechtigkeit das Wort. Dabei will der Jakobusbrief die Gnade und Freiheit des Evangeliums nicht gegen einen Glauben eintauschen, der mittels Leistung das Heil schafft. Vielmehr beschäftigt er sich damit, der richtigen Lebensgestaltung im Glauben Raum zu geben. Ein Glaube ohne entsprechende Taten ist leblos und letztlich auch lieblos.

Und damit bin ich wieder bei uns und meinem Eingangssatz und dem Hinweis, dass dies nun gerade in unseren Zeiten die Aufgabe von Christinnen und Christen ist, tätige Nächstenliebe zu zeigen, Menschen zu begleiten, ein offenes Haus und ein offenes Herz zu haben und zu verstehen, wie Menschen heute denken, leben, glauben und was ihnen Not und Angst macht. Gerade Angst macht für viele Menschen das Leben sehr eng. Es gibt nur wenig gefühlten Spielraum. Der neue Krieg in Israel ist für uns unfassbar, die Situation in der Ukraine bleibt weiterhin herausfordernd, die Polarisierung der Welt, Radikalisierung von Menschen und Gruppen sind er-schütternd, die Umwälzungen des Klimas mit ihren bedrohlichen Konsequenzen greift um sich. Neben den großen politischen, ökologischen und gesellschaftlichen Fragen fühlen sich Menschen ausgegrenzt, nicht ernst genommen, alleine gelassen. Die Corona-Pandemie ist noch nicht vollkommen bewältigt. Die Folgen für viele Kinder und Jugendliche sind noch nicht abschätzbar. Und dann sind da noch die vielen geflüchteten Menschen, die nach Deutschland kommen und offensichtlich Systeme an ihre Grenzen bringen.

Wir leben in einer Welt voller Krisen, deren Dramatik letztlich von einzelnen Menschen nicht abgeschätzt werden kann, die aber von vielen als angstmachend und bedrohlich empfunden werden. Wir wissen auch, dass die, die schnelle und einfache Lösungen versprechen letztlich nur Verführer sind, die nicht halten können, was sie vollmundig versprechen.

Und da sind nun wir Christinnen und Christen, von allen Krisen genauso betroffen, wie alle anderen Menschen auch. Aber von uns wird eben erwartet, Täterinnen und Täter des Wortes zu sein, also Menschen zu sein, die diesen Schatz des Glaubens an die Erlösung durch Jesus Christus nicht nur in sich tragen, sondern zeigen und gegenüber allen Krisen praktisch leben – nicht als Werkgerechtigkeit sondern als Ausdruck des Glaubens, mit dem Segen Gottes.

„Seid Täter des Wortes und nicht Hörer allein; sonst betrügt ihr euch selbst.“ Was Jakobus hier sagt und wozu er uns auffordert, passt offenbar genau in unsere Zeit. Ein Glaube ist leblos und lieblos, wenn er nicht direkte Verantwortung für Menschen und die Welt hervorbringt. Das ist nicht einfach. Es ist und bleibt herausfordernd, gerade, ich sagte es schon, weil wir alle von den gleichen Herausforderungen betroffen sind. Aber eben nichts zu tun, ist nichts anderes als ein Selbstbetrug und spottet dem, was wir als Glauben in uns tragen.

Wir dürfen wissen, dass wir von Gott angenommen sind, dass er uns nicht alleine lässt. Das soll unser Bewusstsein stärken und uns immer wieder aufrichten, das gibt uns, mitten in den vielen Krisen Mut und Zuversicht.

Was nun konkret zu tun ist? Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Dazu sind doch Gemeinden da, dass man sich zusammensetzt, gemeinsam auf Gottes Wort hört, betet und singt und dann der helfenden Kreativität freien Raum lässt. Kleine diakonische Schritte können es sein. Eine Frau lädt ältere Menschen in die Gemeindeküche ein. Dort wird gebacken und anschließend gibt es, mit weiteren Menschen dazu, eine fröhliche Kaffeetafel. Gelebte Gemeinschaft eben. Die Winterspielplätze, die Hausaufgabenhilfe, eine Suppenküche für ärmere Menschen, die Nachbarschaftshilfe, ein gutes Wort zur rechten Zeit usw. sind kleine wirkungsvolle Schritte. Wie gesagt, der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt und alles das geschieht, weil es Christinnen und Christen gibt, die so zu Täterinnen und Tätern des Wortes werden. Der Selbstbetrug beginnt da, wo wir nichts tun und endet beim ersten beherzten Schritt auf andere Menschen zu. Das kann für viele in dieser Zeit ein kleines aber starkes Zeichen der Hoffnung, der Zuversicht und der Liebe sein.

Michael Noss
Präsident