Baptisten bei Kirche²

Rückblick auf einen ökumenischen Kongress

Vom 14.-16. Februar fand in Hannover die Veranstaltung „Kirche2 – Ein ökumenischer Kongress.“ statt. Über 1000 Besucher, überwiegend aus der hannoverschen Landeskirche und aus dem Bistum Hildesheim, nahmen an dem Kongress, der im Convention Center auf dem Messegelände stattfand, teil. In Plenarveranstaltungen, Foren und Workshops drehte sich alles um die Frage, wie der christliche Glaube in der heutigen Gesellschaft gelebt werden kann, damit Menschen das Evangelium erleben. Auch etliche Baptisten hatten sich auf den Weg nach Hannover gemacht, um „Wege und Gesichter der Kirche von Morgen“ zu entdecken, wie es im Begleitheft des Kongresses hieß.  Carsten Hokema war dabei und hat die Reaktionen der baptistischen Teilnehmer in einem Bericht zusammengestellt.


„Das Thema, wie sich Kirche und Gemeinde heute in unserer Gesellschaft gestaltet, ist höchst relevant“, so Dagmar Wegener aus Berlin. „Auch in unserem Bund beschäftigen wir uns, u.a. im Dienstbereich Mission oder bei ‚Kirche 21’, an vielen Punkten mit diesem Thema. Am schönsten fand ich, dass die Gastredner der Anglikanischen Kirche auch immer wieder auf den Heiligen Geist verwiesen haben. Ich denke, dass die Kirche im 21. Jahrhundert Vielfalt als Stärke und Kreativität als leitendes Element entdecken wird. Auf dem Kongress wurde erfahrbar, welche großartige Nachricht wir Christen haben und dass es jenseits von Meinungsverschiedenheiten genug gemeinsame Basis gibt, um Ökumene vor Ort missionarisch zu gestalten.“

Auch Hartmut Bergfeld aus Hannover stellt fest, dass im Rahmen des Kongresses eine gemeinsame Grundhaltung der Teilnehmer spürbar wurde:
„Mich hat zuerst die geistliche Grundhaltung begeistert, die sich wie ein roter Faden durch die Veranstaltungen zog. Mission der Christen als ein Teilnehmen an der Mission Gottes wurde buchstabiert. Es ging nicht darum möglichst werbewirksam Mitglieder zu werben oder die Institution Kirche zu retten, sondern Menschen die Begegnung mit Jesus zu ermöglichen.

Ein zweites ist mir aufgefallen: Die neuen „expressions of church“ die entstehen, haben den Charakter von Freiwilligkeitsgemeinden. Das Neue: Sie bleiben Teil der evangelischen und katholischen Kirche. Freikirchliche Frömmigkeit und eine größere Selbstständigkeit der Ortsgemeinde wird es also vermehrt in allen Kirchen geben.“

Bei den Vorträgen mit prominenter internationaler Besetzung ging es den Rednern nicht um Theorien und Konzepte, die verstanden oder einfach ein- oder umgesetzt werden müssen, sondern um das „Bei-den-Menschen-sein“ der Christen. Das kann, je nach Gegebenheit vor Ort und je nach Begabung der einzelnen Christen, ganz unterschiedlich aussehen. Der englische Bischof Nicholas Baines sagte, dass es in Kirchen nicht zuerst um Dogmen oder Institutionen gehen dürfe und prägte den Satz „Kirche ist ein Verb!“. Dass an der Gemeindebasis in allen Konfessionen viel passiert und dass sowohl evangelistisch als auch diakonisch aktive Christen neue Wege gehen, verdeutlichten die vielen Mut machenden Beispiele, die im Rahmen des Kongresses vorgestellt wurden.  

Davon war auch Martin Seydlitz aus Oldenburg begeistert: „Bunte Typen braucht die Kirche. Glücklicherweise hat sie die auch. Die tätowierte lutherische Pfarrerin, die in Denver/Colorado Fahrräder segnet. Der Bischof in Erfurt, der Heiligabend um Mitternacht noch für 300 Jugendliche einen Gottesdienst macht, weil die nicht wissen, was sie machen sollen, die Kneipen haben schließlich zu. Der hohe VW-Manager, der seine Frau wegen der Kirchensteuer gezwungen hat, aus der Kirche auszutreten und plötzlich - nach einem Gotteserlebnis - nicht anders kann, als von Gott zu schwärmen. Das alles und mehr hat mich inspiriert und mir neu Lust auf Kirche und Gottes Reich gemacht“.

Im Vordergrund des Kongresses standen nicht große und „erfolgreiche“ Gemeinden oder missionarische Projekte. Vorwiegend wurden kleine Initiativen und Projekte vorgestellt, deren Initiatoren und Mitarbeiter in bescheidener Weise auftraten und kein großes Aufsehen um ihre missionarische Arbeit machten. Insbesondere Beispiele aus der Anglikanischen Kirche, die veranschaulichten, dass Gemeinden durch neue Ausdrucksformen ihrer Gemeindearbeit („fresh expressions“) auch Menschen aus bisher nicht erreichten Milieus mit dem Evangelium ansprechen, wurden als anregend empfunden. Kathy Pithan aus der Gemeinde Treysa:  „Aus der Perspektive einer sehr kleinen  und sehr alten Gemeinde, die nach einer Zukunft sucht, fand ich es sehr ermutigend und berührend, mit zu erleben, wie zwei noch viel ältere, starrere und gebrechlichere Kirchen, die evangelische und katholische, sich aufmachen, um von einem anderen "Dinosaurier", nämlich der Anglikanischen Kirche,  zu lernen.“ Im Rückblick auf den Kongress erinnert sich Kathy Pithan an einen besonderen Moment in einer Plenarveranstaltung: „Über Twitter wurden den Referenten Fragen zu ihren aktuellen Referaten gestellt. Eine Frage lautete:

‚Wie kommt eine Kirche, die starr vor Angst und Verlust ist, zu einer hoffnungsvollen Haltung?’ Die Antwort des anglikanischen Priesters war knapp und kurz: ‚Durch den heiligen Geist.’  Seine Antwort hatte in die gespannte Stille hinein eine sehr befreiende Wirkung. Dass es in so einer schwierigen Situation eine Antwort gibt, von Gott her, das bringt uns mit unserem innersten Glaubenskern neu in Kontakt.“

Einige Baptisten waren auch an Workshops und Foren des Kongresses beteiligt. Tobias Ennulat aus Bremen berichtet von seinem Workshop: „Wir wollten deutlich machen, dass alte trennende Klischees wie "liturgisch", "konservativ", "sozial-gerecht" oder "Erneuerer" heutzutage ihre trennende Macht verlieren.

Wenn Kirche sich mitten bei den Menschen verortet, wird sie dringend als Mediator, Moderator und Katalysator gebraucht.  In unserer Gemeinde führte das dazu, dass die Gemeinde sich erheblich weniger mit sich selbst beschäftigt und nun verwurzelt und verbunden ist im Stadtteil. Wir werden auch ganz anders positiv wahrgenommen. Das führt zu einem anderen Selbstbewusstsein als Gemeinschaft und vielen Kontakten, Ideen und einer Art "Gründergeist", wo Leute immer wieder auf neue Ideen kommen und auch Mut haben, diese umzusetzen.“  Auch Carsten Hokema aus Oldenburg war an zwei Veranstaltungen beteiligt. „Ich konnte ganz klasse mit meinen lutherischen und katholischen Kollegen zusammenarbeiten. Ich habe wieder einmal erlebt, dass die Konfession nicht trennt, wenn der Geist Gottes vereint. Das  missionarische  Engagement aller Teilnehmer hat mich begeistert. Ich habe mich dann aber auch über meine Freikirche gefreut, in der schon Manches möglich ist, wovon meine Kollegen in den anderen Kirchen noch träumen müssen.“

Auch Baptisten, die den Kongress mit vorbereitet haben, ziehen ein positives Fazit. „Erfreulich war die Einbindung der ACK Niedersachsen. Freikirchler können gerade beim Thema Mission und neue Gemeindeformen einige Erfahrung einbringen. Sie können aber von den anderen auch lernen, denn auch sie brauchen ‚fresh expressions of church’!“, so Holger Kelbert (Lüchow).

Für Manfred Beutel aus Hannover werden „die Begegnung mit Mitarbeitern aus den beiden großen Kirchen, die mit einem dienenden Herzen mit Jesus für die Menschen unterwegs sind“ in guter Erinnerung bleiben. „Mich erinnerte der Kongress sehr an das, was wir mit unserem Dienstbereich Mission vorhaben: ‚Mit den Gemeinden wollen wir neue Wege gehen, damit Menschen Jesus Christus erleben. Wir gehen hin!’  Tun wir es doch endlich- radikaler und beherzter!“

Ein Artikel von Carsten Hokema