Dasein mit anderen

Forum Diakonie gibt Anstoß zur Inklusion

Paulus ein behinderter Mensch? So genau lässt sich das nicht feststellen. Zachäus dagegen wird ausdrücklich als kleinwüchsig beschrieben. Er musste auf einen Maulbeerbaum klettern, um Jesus zu sehen. Und Jesus selbst? Der Auferstandene hatte Wundmale, die der zweifelnde Thomas besonders anschauen durfte. Fragen von Behinderung und vor allem von Inklusion standen im Mittelpunkt des diesjährigen Forums Diakonie vom 21. bis 23. Februar 2014 in Berlin-Spandau. Veranstalter waren der Arbeitsbereich Diakonie im BEFG-Dienstbereich Mission und die Diakonische Arbeitsgemeinschaft evangelischer Kirchen. 

Das Tagungsmotto „Vielfalt ist möglich“ machte den rund 20 Teilnehmern schnell deutlich: Inklusion in einer Gemeinde bedeutet mehr als Barrierefreiheit. Zu den Kriterien der UN-Konvention, die 2009 von Deutschland anerkannt wurde, gehören etwa „volle und wirksame Teilhabe“ für alle Menschen, „Achtung von Unterschiedlichkeit“ und neben „Chancengleichheit“, „Nichtdiskriminierung“ auch „Achtung vor den sich entwickelnden Fähigkeiten.“ Das verdeutlichte Dr. Annebelle Pithan vom Münsteraner Comenius-Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland. Dabei zitierte die Religionspädagogin auch den 2010 verstorbenen Autor Fredi Saal: „Ich fühle mich als Spastiker als eine Schöpfung Gottes.“

Immer wieder wurden die rund 20 Teilnehmer, die im Evangelischen Johannesstift tagten, eingeladen, einen Perspektivwechsel vorzunehmen, um Formen von Ausgrenzung in Gesellschaft, aber auch in den Gemeinden wahrzunehmen. Schnell stellte sich heraus, Inklusion bedeutet eine doppelte Herausforderung: Einmal parteilich zu werden für Menschen und beispielsweise Ressourcen zur Verfügung zu stellen, aber auch „da sein mit anderen statt für andere“, wie Diakonin Gabriele Löding, Referentin für gemeindenahe Diakonie im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden, formulierte.

Rollstuhlfahrer Bernd Wittchow, Geschäftsführer der Eichendorfer Mühle in Müncheberg, einer Einrichtung für Menschen mit Suchterkrankungen, kritisierte, dass der Gesetzgeber Behinderung als Abweichung von der Norm definiere. Schon die Sprache zeige, wie offenen jemand für Inklusion sei. Dies sei keine neue Aufgabe für eine Gemeinde, sondern Inklusion sei eine zutiefst christliche Haltung. Da waren sich die Teilnehmer zum Abschluss einig.

Inklusion sei aber auch eine Herausforderung für den eigenen Glauben und die eigene Haltung zu anderen Menschen. Das zeigte nicht zuletzt auch der von Pastorin Gyburg Beschnidt (Berlin) angeleitete Gottesdienst in „leichter Sprache“. Nicht nur einige Elemente der Predigt über die Heilung des Gelähmten nach Matthäus 9,1ff stellten sich am Ende als für viele Menschen zu kompliziert dar. Selbst relativ einfach gehaltene Lieder konnten nicht in allem den Vorgaben einer „leichten Sprache“ entsprechen. Sie verwendet beispielsweise kurze Wörter und Sätze, eine einfache Grammatik oder vereinfacht Sachverhalte.

Das Fazit des Forums Diakonie lautet: Inklusion ist ein Lernprozess.

Ein Artikel von Holger Gohla