Gottes Liebe greifbar machen

Baptisten im Libanon helfen syrischen Flüchtlingen

„Es ist unglaublich, mit welch enormem Engagement sich die Baptisten im Land für Menschen am Rand der Gesellschaft einsetzen.“ Mit diesem Fazit ist Frank Wegen, im Komitee von German Baptist Aid (GBAid) für den Nahen Osten zuständig, aus dem Libanon zurückgekehrt. Dort besuchte er im April eine Woche lang Projekte, die GBAid unterstützt. In seinem Reisebericht beschreibt er die Situation der Menschen in einem kleinen Land, das „mit seinen vier Millionen Einwohnern über eine Milionen Flüchtlinge aus dem benachbarten Bürgerkriegsland Syrien verkraften muss, wobei das nur die Zahl der von UNHCR registrierten Flüchtlinge ist.“ Wegen hatte auch Gelegenheit, Flüchtlingsfamilien in ihren Unterkünften zu treffen. 
 
In der Nähe von Tripoli, der zweitgrößten Stadt des Landes, haben Mitarbeiter zweier kleiner Baptistengemeinden Räume angemietet und ein Zentrum eröffnet, in dem sie verschiedene Angebote für Flüchtlinge schaffen wollen. Bereits gestartet ist ein Programm mit Lebensmittelgutscheinen, das für viele Flüchtlinge das Überleben sichert.

Der Besuch bei einer Flüchtlingsfamilie ist beklemmend: eine Art Garage am Rande eines Industriekomplexes, kalt und nackt, fast vollkommen ohne Möbel oder Einrichtungsgegenstände. Es ist ein menschenunwürdiges Leben. Dafür, dass sie dort wohnen dürfen, müssen sie noch 150 US-Dollar Miete bezahlen, die der Familienvater durch Gelegenheitsarbeiten versucht zu verdienen, erläutert Michel S., der Leiter der Arbeit vor Ort. Ohne die Lebensmittelgutscheine der Gemeinde sähe es düster für die Familie aus. Gemeindemitglieder besuchen die Familien regelmäßig.

Bei einem Besuch in Zahle in der Bekaa-Ebene lerne ich eine siebenköpfige Familie kennen, die seit über zwei Jahren in einem Zelt lebt. Sie mussten aus Aleppo fliehen und konnten nichts mitnehmen außer der Kleidung, die sie am Leibe trugen. Sie dürfen ihr Zelt mietfrei am Rande eines Feldes stehen lassen und müssen dafür bei der Feldarbeit helfen.

„Ohne die Hilfe der Baptisten wären wir verhungert“, sagt der Familienvater. Die örtliche Baptistengemeinde kümmert sich um 750 Flüchtlingsfamilien, auch hier wird mit Gutscheinen gearbeitet. „Oder“, so der Vater weiter,  „wir wären erfroren“ – denn im Winter herrschen in der Bekaa-Ebene Frost und Schneefall. Die Öfen, die es in vielen dieser Zelte gibt, wurden über German Baptist Aid finanziert. Auf meine Frage nach den Zukunftsperspektiven betont der Familienvater, ein Zurück nach Syrien gebe es nicht mehr. Alles, was er dort gehabt hätte, sei mittlerweile geplündert oder zerstört worden. Seine Geschwister seien in die Türkei geflohen, einer habe es nach Dänemark geschafft. Es berührt mich, dass mir ein Mensch gegenübersitzt, der trotz seiner Situation nicht müde wird, immer wieder seinen Dank zum Ausdruck zu bringen für die Unterstützung, die sie durch die Gemeinde bekommen. Und seine Kinder, so der Mann, würden so gern in die Veranstaltungen der Gemeinde gehen.

In Beirut besuche ich ein Schulprojekt in Hay el Gharbeh, einem der Elendsviertel im schiitischen Teil der libanesischen Hauptstadt, direkt angrenzend an das Palästinenserlager Schatila. Ich bin beeindruckt von der hohen Qualität und Professionalität, die hier geleistet werden, und gleichermaßen auch von der Liebe und Zuwendung zu den Ärmsten der Armen. Der Gang durch das Elendsviertel und ein Hausbesuch werden zu einer Herausforderung. Es ist mein sechster Aufenthalt im Libanon, aber so viel Armut und Elend habe ich noch nicht gesehen. Dass hier Baptisten eine Vision entwickelt haben, diesen Menschen Gottes Liebe zu bringen, berührt mich zutiefst, denn – so berichtet mir die Leiterin der Einrichtung, Catherine Mourtada – in dieses Viertel trauen sich sonst kaum Hilfswerke hinein.

Auf meinem Reiseplan stehen außerdem Besuche und Gespräche mit Mitarbeitern der von German Baptist Aid unterstützten Gefangenenhilfe sowie von SKILD, einem Projekt für Kinder mit Lerneinschränkungen. Die Initiative der Baptist Society, dem Dachverband der baptistischen Einrichtungen im Libanon, erfährt in den Medien mittlerweile landesweite Aufmerksamkeit. Während meines Aufenthaltes gibt der Direktor der Baptist Society, Nabil Costa, eine Pressekonferenz, bei der auch der libanesische Bildungsminister anwesend ist. Auf meinem Rückflug erspähe ich in der Zeitung meines Sitznachbarn ein Bild von der Pressekonferenz. In den vielfältigen Diensten der Baptisten wird Gottes Liebe greifbar und spürbar. Es ist eine große Ermutigung zu sehen, was möglich ist, wenn sich Menschen von Gottes Liebe getrieben auf den Weg machen.

Ein Artikel von Frank Wegen