"Sag’ was. Den Glauben zur Sprache bringen"

Freikirchliche Impulstagung Mission: Keine Angst haben, Jesus vor Augen zu malen

In vielen Gemeinden des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden herrscht „eine gewisse Sprachlosigkeit über den Glauben“. Das hat der Leiter des Dienstbereichs Mission, Christoph Stiba (Elstal bei Berlin), bei Gemeindebesuchen festgestellt. Auch Umfragen der Landesverbände der Freikirche zeigten ähnliche Ergebnisse. Deshalb sei es nötig, die Sprach- und Kommunikationsfähigkeit wiederzugewinnen. Denn andernfalls seien missionarische Bemühungen der Gemeinden aussichtslos, sagte Stiba der Zeitschrift DIE GEMEINDE am Rande der „Impulstagung Mission 2011: "Sag’
was! Den Glauben zur Sprache bringen“ vom 17. bis 19. Januar in Schmitten-Dorfweil (Taunus). Mit dem Treffen wolle man Anregungen weitergeben, damit das Reden über den Glauben wieder gelingt: „Wir brauchen keine Angst davor zu haben, Jesus den Menschen vor Augen zu malen.“

Damit die Kommunikation funktionieren kann, sei es am wichtigsten, sein Gegenüber zu kennen, wertzuschätzen und zu lieben, riet der Direktor von ERF Medien und Vorsitzende der Deutschen Evangelischen Allianz, Jürgen Werth (Wetzlar), den 70 Teilnehmern der Tagung. Ob jemand erfolgreich kommuniziere, hänge zu 85 Prozent von seiner Persönlichkeit ab und nur zu
15 Prozent von seinem Fachwissen. Werth machte den Zuhörern Mut, auf frommes Vokabular im Gespräch im christlichen Glauben zu verzichten und zu versuchen, den Glauben auch „in anderen Bildern“ auszudrücken, um verstanden zu werden: „Wir müssen uns plagen.“ Doch zugleich räumte er auch ein, dass sich das Heilige „nur sehr bedingt in der Alltagssprache ausdrücken“ lasse: „Die Bibel bleibt die Bibel. Manches kann ich nicht übertragen in eine Sprache, die sich über Twitter veröffentlichen lässt.“ Laut Werth gibt es in der Bevölkerung eine Sehnsucht nach dem Heiligen.
Dies zeige sich etwa darin, wenn Jugendliche dem Papst zujubelten, und darin, dass auch die Orthodoxie auf viele Menschen eine Faszination ausübe. In der Aussprache wandte sich Werth auch dagegen, als Christen Nichtchristen „eine heile Welt“ vorzuspielen: „Es stimmt doch auch nicht: Wir haben kein Problem der Welt wirklich gelöst.“ Statt dessen solle man auch mit Nichtchristen offen und ehrlich über Sorgen und Probleme reden.

Die Referentin für Evangelisation der rheinischen Kirche, Christina Brudereck (Essen), wies darauf hin, dass viele Menschen heute eine Sehnsucht nach dem Heiligen in sich trügen, aber keine Erwartungen an das Christentum hätten. Christen müssten „diese Suchbewegung der Herzen“ verstehen, die sich auch darin zeige, dass Engel, Elfen und Rosenkränze Hochkonjunktur hätten und man sogar im Fernsehen über das Gebet sprechen könne. Nötig sei „eine Evangelisation im Dialog“, wies sie sagte, mit Respekt für andere Glaubenstraditionen, gegen christlichen Triumphalismus, für Irrtumsfähigkeit, auch für Humor. Was das für Konsequenzen hat, zeigte sie unter anderem am Beispiel des Textes aus dem Anbetungslied „Würdig ist das Lamm auf dem Thron“. Eine solche Aussage werde heute nicht verstanden.
Sie sei „komisch bis absurd“: „Ein Schaf auf dem Stuhl.“ Der Text sei „antik bis nachsintflutlich“, aber trotzdem wahr. Damit er verstanden wird, müsse eine Extraleistung erbracht werden. So habe etwa auch der US-amerikanische Bürgerrechtler Martin Luther King (1929-1968)  immer wieder darauf hingewiesen, dass „es eine Kraft gibt im Blut des Lammes“.
Auch ohne Gewalt sei diese Kraft überwältigend. Niemand sei so zynisch zu sagen, dass King umsonst gestorben sei. „Wir müssen andere Worte finden, damit wir verstanden werden“, so Brudereck. Kritik übte sie an den USA. Das Land gelte als das christlichste Land weltweit. Doch es habe seine „moralische Größe eingebüßt“, weil es sich nicht konsequent für Frieden einsetze. Wer religiösen Hunger verspüre, „sucht nun auf einer anderen Speisekarte“.

Der Leiter des Instituts für Mitarbeiter- und Gemeindeentwicklung des BEFG, Dr. Oliver Pilnei, wandte sich gegen ein „klischeehaftes Verständnis von Bekehrung“. Es könne bis zu 12 Jahre dauern, bis ein Mensch nach einem ersten Impuls Christ werde, sagte er unter Hinweis auf die Studie „Wie finden Erwachsene zum Glauben?“ der Theologischen Fakultät der Universität Greifswald. Erstaunlich sei für ihn auch, dass die Studie gezeigt habe, dass 87 Prozent den traditionellen und nicht den alternativen, modernen Gottesdienst für bedeutsam hielten.  

In der kontroversen Diskussion wurde davor gewarnt, als Christen den Inhalt zu verlieren, wenn man sich der Gesellschaft zu sehr anpasse. Eine Teilnehmerin meinte, dass sie - als sie Christin geworden sei - auf der Straße Traktate verteilt habe, um andere zum Glauben einzuladen. Später habe sie dann „Freundschaftsevangelisation“ betrieben, heute sei man in ihrer Gemeinde dazu übergegangen, nur noch Freundschaft zu praktizieren.
Doch wo bleibe die Evangelisation?

Ein Artikel von Klaus Rösler