Unabhängig aber engagiert

VEF-Mitgliederversammlung befasst sich mit Staats-Kirchen-Verhältnis

Chancen und Herausforderungen im Verhältnis zwischen Staat und Kirchen standen im Mittelpunkt der Mitgliederversammlung der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF), die Ende November in Berlin und im brandenburgischen Elstal stattfand. 

Zu Beginn der zweitägigen Versammlung trafen sich die knapp 30 Delegierten aus den 14 VEF-Mitgliedskirchen in Berlin mit dem Vorstand des Evangelischen Werks für Diakonie und Entwicklung (EWDE), zu dem der Evangelische Bundesverband Diakonie Deutschland und „Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst“ gehören. Bereits seit ihrer Gründung sind die Teilorganisationen des EWDE gemeinsame Werke der evangelischen Landes- und Freikirchen. In dem Gespräch ging es um die Frage, wie das EWDE und die Freikirchen im Engagement für das Gemeinwesen noch enger kooperieren können. Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin von „Brot für die Welt“ und der Diakonie Katastrophenhilfe, unterstrich am Beispiel großer Katastrophen, wie wichtig die Zusammenarbeit von Organisationen sei. Nur die gemeinsame Anstrengung ermögliche eine nachhaltige internationale Hilfe, etwa nach dem Taifun auf den Philippinen. Füllkrug-Weitzel würdigte die Spendenbereitschaft von Mitgliedern aus Freikirchen, die in hohem Maße die Projekte von „Brot für die Welt“ unterstützten. Johannes Stockmeier, Präsident des Evangelischen Bundesverbandes Diakonie Deutschland, bezeichnete die Diakonische Arbeitsgemeinschaft evangelischer Kirchen als wichtige Schnittstelle zwischen den Freikirchen und den Werken innerhalb des EWDE. Die freikirchlichen Vertreter unterstrichen die Bedeutung dieses Zusammenschlusses und würdigten das hilfreiche Arbeits- und Informationsmaterial der EWDE-Einrichtungen.

In der Mitgliederversammlung berichtete der Beauftragte der VEF am Sitz der Bundesregierung, Peter Jörgensen, über die Handreichung „Zum Umgang mit Taufbegehren von Asylsuchenden“, die die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die VEF Ende November gemeinsam veröffentlicht haben. Das Interesse asylsuchender Menschen, in einer christlichen Kirche getauft zu werden, habe neben der geistlichen auch eine politische Dimension, so Jörgensen, da eine Taufe bei der Entscheidung über den Asylantrag eine entscheidende Rolle spielen könne. Weil nicht auszuschließen sei, dass der Taufwunsch instrumentalisiert werde, um ein Bleiberecht zu erwirken, laste auf den Pastorinnen und Pastoren in den Gemeinden eine hohe Verantwortung. Die Handreichung unterstütze Gemeinden und ihre hauptamtlichen Mitarbeiter konkret dabei, auf den Taufwunsch Asylsuchender angemessen zu reagieren. VEF-Präsident Ansgar Hörsting hob würdigend hervor, dass es mit der Handreichung gelungen sei, dass „evangelische Volks- und Freikirchen in dieser brisanten Frage an der Schnittstelle zwischen staatlicher und kirchlicher Entscheidungsbefugnis mit einer Stimme sprechen.“ Die Handreichung kann kostenlos aus dem Internet heruntergeladen werden (www.vef.de/erklaerungen oder www.ekd.de/EKD-Texte/90777.html).  

Die VEF-Delegierten nahmen während der Mitgliederversammlung am feierlichen Empfang anlässlich der Einführung des Generalsekretärs des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (BEFG), Christoph Stiba, teil. Prof. Dr. Rolf Schieder, Professor für Praktische Theologie und  Religionspädagogik an der Humboldt Universität Berlin, beleuchtete in seinem Festvortrag die Beziehung von Staat und Kirche in einer multireligiösen Gesellschaft. Er hob würdigend hervor, dass alle Freikirchen das heute in Deutschland akzeptierte Modell einer vom Staat unabhängigen Kirche seit ihrer Gründung vertreten hätten. Unabhängigkeit schließe jedoch nicht aus, sich politisch und sozial zu engagieren – im Gegenteil: Alle Kirchen seien aufgefordert, Fremden gegenüber offen und zugewandt zu sein, das Gemeinwesen mitzugestalten und an den kulturellen und sozialen Herausforderungen vor Ort mitzuarbeiten.

Die Vereinigung Evangelischer Freikirchen wurde 1926 gegründet. Ihr gehören 10 Mitglieds- und vier Gastkirchen an.

Ein Artikel von Dr. Michael Gruber