Wie aus Mrs. Tickener „Mama Barbara“ wurde

Auf der England-Studienreise des Dienstbereichs Mission im Dezember 2011 haben wir Barbara Tickener nur kurz kennen gelernt. Ihre Geschichte aber hat uns sehr beeindruckt.

Die heute 81-jährige hat ein bewegtes Leben hinter sich: Als Krankenschwester arbeitete sie auf einem Kreuzfahrtschiff und als Betriebskrankenschwester in einer Fabrik. Als sie in Rente ging, machte sie eine Fortbildung, wurde zur „ehrenamtlichen Pastorin“ ordiniert und kümmerte sich um eine kleine Baptistengemeinde in Liverpool. Die Gemeinde öffnete ihre Türen und wurde zu einem florierenden Stadtteilzentrum. Die Zahl der Gottesdienstbesucher sank jedoch von Jahr zu Jahr. Viele Dienste im Stadtteil mussten aufgegeben werden, da die wenigen Gemeindemitglieder immer älter wurden. Wenn sehr vereinzelt jüngere Besucher in die Gemeinde kamen, verwies die ehrenamtliche Pastorin diese an benachbarte Gemeinden, die ein Kinder- und Jugendprogramm zu bieten hatten. Die Gemeinde wusste, dass sie selbst nicht dafür sorgen konnten.

Im Jahr 2005 zählte die Gemeinde noch zwei Mitglieder. Mrs. Tickener nahm Kontakt zum englischen Baptistenbund auf und traf sich mit Phil Jump, dem Regionalleiter des Baptistenbundes. Beide können sich nicht erklären warum, aber die Gemeinde zu schließen, war nicht ihr erster Gedanke. Die beiden Restmitglieder wollten zwar weiter für die Gemeinde beten, aber die Gottesdienste zu zweit gaben sie auf. Sie trafen sich zum Sonntagmorgengebet in ihrer kleinen Kirche. Abends besuchten sie dann eine andere Gemeinde, um Gottesdienst zu feiern.

Im Jahr 2005 fand der Weltkongress der Baptisten in Birmingham in England statt. Zu Gast war auch der Leiter der Nigerianischen Baptistenunion. Seinen in England lebenden Landsleuten rief er eindringlich zu: “Warum sondert ihr euch ab? Geht in die Baptistengemeinden, die es in England gibt!“

Am Sonntag danach bekamen die beiden betenden Frauen Besuch von Pastor Philipp Oyewale, dessen nigerianisch geprägte Gemeinde – wie viele andere Migrantengemeinden auch – sich bisher in einem angemieteten Industriegebäude getroffen hatte: „Unser Präsident hat gesagt, dass wir zu euch kommen sollen!“ „Ja, wir haben ein leeres Gebäude! Kommt zu uns!“, war die Antwort der beiden Frauen.

Mittlerweile ist Barbara Tickener in der nun charismatisch ausgerichteten, eher afrikanisch geprägten Gemeinde, die zum englischen Baptistenbund gehört, nur noch als „Mama Barbara“ bekannt. Sie ist mit ihren 81 Jahren neben Philipp Oyewale als Pastorin der Gemeinde tätig. Der Nigerianische Baptistenbund, den sie mittlerweile besucht hat, hat ihr den offiziellen Titel „Pastorin“ verliehen. Der ist ihr aber nicht so wichtig. An ihrem 80. Geburtstag wurde ein rauschendes Fest in der Gemeinde gefeiert: „Mama Barbara“ war in traditioneller nigerianischer Kleidung erschienen und durfte auf einem speziell angefertigten „Seat of Honor“ Platz nehmen.

Michael Kißkalt, im Dienstbereich Mission des BEFG verantwortlich für Migrantengemeinden und Teilnehmer der Studienreise, meint: „Was für ein Segen ruht darauf, wenn sich einheimische und zugewanderte Christen zusammen tun!“

Vielleicht kann manche deutsche Gemeinde dann auch erleben, was Mrs. Tickener erlebt hat. Trotz ihres Alters wirkt sie dynamisch und glücklich. Es strahlt aus ihren Augen, weil „ihre“ totgeglaubte Gemeinde mithilfe ihrer nigerianischen Migrantenchristen wieder zu neuem Leben erwacht ist. Die Gemeinde blüht, auch wenn Mama Barbara älter wird.

Carsten Hokema

Ein Artikel von Carsten Hokema