Besuch der Ausstellung „Hey Hamburg, kennst Du Duala Manga Bell?“

Baptistische Perspektive auf Maria Mandessi Bell

„Hey Hamburg, kennst Du Duala Manga Bell?“ heißt die Ausstellung im „MARKK – Museum am Rothenbaum“ in Hamburg. Darin geht es um die Lebensgeschichte der kamerunischen Königsfamilie und deren friedlichen Widerstand gegen die Gier der Kolonialherren. Friedemann Gillert von der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Eberswalde hat eine Einführung in die Ausstellung aus baptistischer Sicht erarbeitet. Gemeinsam mit jungen Christen und Christinnen verschiedener ethnischer Herkunft vom Projekt Triple C hat er die Hamburger Ausstellung besucht und die Geschichte der kamerunischen Prinzessin Maria Mandessi Bell erzählt.

Fast jedes deutsche Gymnasium wirbt damit, dass Austauschschüler unterrichtet werden, schließlich verschafft der Kontakt mit fremden Kulturen eine neue Weltsicht.

Dass Reisen bildet, wussten auch unsere Vorfahren und so sorgten finanziell unabhängige Eltern auch im vergangenen Jahrhundert dafür, dass ihre Sprösslinge im Ausland neue Erfahrungen sammeln konnten.
Was haben wohl die Eltern der kamerunischen Prinzessin Maria Mandessi Bell geplant, als sie ihre Tochter im Jahr 1911 aus der Kolonie Kamerun nach Deutschland reisen ließen? Das Elternhaus der Familie glich, wie alte Fotos beweisen, so manch gutbürgerlichem deutschen Haushalt im Kaiserreich. Schwere Gründerzeit-Möbel, Teppiche, Silbergeschirr, … all das umgab die junge Maria in ihren Kinderjahren. Es muss für die junge Prinzessin aus der alten afrikanischen Duala-Familie bescheiden gewirkt haben, als sie in das deutsche Kaiserreich kam und bei eher ärmlichen Pastorenfamilien freundlich aufgenommen wurde. Sie wurde Mitglied in den Baptistengemeinden Wolfsdorf, Eberswalde und Berlin.

Überall bestaunte man das schwarze, dichte Haar, die wunderschöne dunkle Haut der jungen Frau. Maria versprühte Charme und Liebreiz. Trotz ihrer Jugend, Maria war erst fünfzehn Jahre alt, war sie mit einem gebildeten jungen Mann der afrikanischen Oberschicht (Adolf Ngoso Din) verlobt.

Zwischen den jungen Leuten muss es eine tiefe Zuneigung gegeben haben. Maria war durchaus mit der Verlobung einverstanden. Ihrer Zukunft als Ehefrau eines vermögenden Mannes schien nichts im Weg zu stehen.

Bis hierhin ist der Lebenslauf des jungen Paares durchaus wenig spektakulär, doch die große Politik mischt sich in das Leben dieser sympathischen Frau dramatisch ein.

Deutschland nennt sich „Schutzmacht“, vertritt aber nur eigene koloniale Ziele. Die Konflikte der unterschiedlichen europäischen Länder eskalieren, der erste Weltkrieg steht unmittelbar bevor.
Inmitten dieser Kriegstreiberei versucht ihr Verlobter, als Abgesandter des Königs, Gehör beim deutschen Kaiser zu finden. Er findet Unterstützung durch Reichstagsabgeordnete und Anwälte.

All diese Dinge erzählte ich einer christlichen Jugendgruppe, die die Ausstellung „Hey Hamburg, kennst Du Duala Manga Bell?“ besuchte. Junge Menschen, die annehmen, dass unschuldige Menschen weder im Gefängnis landen dürfen, noch dass Ihnen Schaden an Leib und Leben zugeführt werden darf. Erschüttert vernehmen die jungen Leute, wie Maria miterlebt, dass in ihrem netten Gastland ihr Verlobter inhaftiert und später unter dem Vorwand des Hochverrates sogar zum Tode verurteilt wird. Er vertraute, wie der König in Kamerun, darauf, dass der deutsche Kaiser ein christlicher Herrscher sei und deutsches Recht gilt. Maria erlebt kurz nach Ausbruch des ersten Weltkrieges ihre erste schwere Lebenskrise: Ihr Verlobter wird ein Opfer deutscher Kolonialpolitik.

Unfassbar, dass Maria nicht ihren unerschütterlichen Glauben an einen liebenden Gott verliert. Sie verurteilt nicht ihre deutschen Freunde, denen sie auch nach dem Krieg im Glauben tief verbunden bleibt.
Diese starke Frau reift an ihren Schicksalsschlägen. Sie lebte in Kamerun, im Senegal und in Frankreich, wo sie schließlich ihre Kinder alleine in Paris erzieht und als Netzwerkerin im Universitätsviertel Quartier Latin für alle afrikanischen und karibischen Studenten Ansprechpartnerin wird. Die antikoloniale Bewegung der Negritude hatte dort und im Verlag ihrer Tochter ein Hauptzentrum.

Junge Menschen in Deutschland und in Kamerun brauchen Vorbilder im Glauben, im Vertrauen und in der Standhaftigkeit gegenüber jeder Willkürherrschaft. Zwei Jahrzehnte nach ihrem Tod habe ich von Maria Mandessi Bell gehört, die von 1912 bis 1914 zu meiner Gemeinde gehörte. Sie beeindruckt mich bis heute immer wieder. Ich habe das Gefühl, dass dies nicht nur mir so geht, sondern auch manchem Besucher der Ausstellung.

Ein Artikel von Friedemann Gillert