Die inspirierende Kraft kultureller Unterschiede
Im Glauben voneinander lernen
Vor 27 Jahren kam BEFG-Präsidiumsmitglied Alfred Aidoo aus Ghana als Missionar nach Deutschland, wurde Pastor einer Gemeinde, in der Menschen aus 45 Ländern gemeinsam Gottesdienst feiern. Er ist überzeugt: Christen aus verschiedenen Kulturen können sich in ihrem Glauben gegenseitig inspirieren, doch es kann durchaus herausfordernd sein, sich darauf einzulassen.
Wenn in der New Life Church in Düsseldorf hunderte Christen aus Ghana, Nigeria, Äthiopien und vielen weiteren Ländern Afrikas sowie der Karibik Lobpreis machen, dann geht es laut und fröhlich zu. Leidenschaft und Lebendigkeit zeichnen die Gottesdienste aus. Die Gebete sind ebenso emotional wie die Musik. Wir tanzen, singen, jauchzen. Manche, die das nicht gewohnt sind, finden das befremdlich. Sie fühlen sich wie in einem Gospel-Konzert mit durchinszenierter Choreografie.
Dabei sind die Gottesdienste alles andere als eine Show: Sie sind authentisch, Ausdruck unserer Kultur. Es ist unsere Mentalität, die beim Singen und Tanzen deutlich wird. Interessanterweise sind sich die Menschen, die Gemeinden des New Life Netzwerks besuchen, in Glaubensdingen sehr ähnlich. Und das, obwohl sie aus 45 verschiedenen Ländern kommen. Natürlich gibt es zwischen diesen Ländern Afrikas und der Karibik große Unterschiede, aber die liegen in anderen Bereichen, in der Sprache, beim Essen. Die Fröhlichkeit, mit der wir Gottesdienste feiern, die Art, unseren Glauben zu leben, die verbindet uns.
Diese Leidenschaft gehört zu uns, und ich merke, dass sie einen sehr positiven Einfluss auf unseren Glauben hat. Denn wir öffnen uns dadurch für Gott und sein Wirken. Wir lassen ihn hinein, geben ihm Raum. Wir lassen zu, dass er wirkt. Und so ist der Gottesdienst für uns ein Ort des Rückzugs, an dem wir auftanken können. Im Alltag gibt es genug Probleme. In der Gemeinde lassen wir sie los. Die Gemeinde ist eine Oase. Dort gibt es Balsam für die Seele.
Ich sehe, dass diese Art des Lobpreises für manche, die hier geboren wurden, fremd ist. Doch ich glaube, von dieser Leidenschaftlichkeit könnten unsere deutschen Geschwister lernen. Es würde ihnen guttun, wenn sie sich davon eine Scheibe abschneiden. Ich beobachte an vielen Stellen, wie Deutsche aus sich herausgehen. Beim Fußball zum Beispiel. Ich kenne Leute, die singen und tanzen, wenn sie zum BVB ins Stadion gehen. Oder auch beim Karneval. Aber in der Gemeinde sind sie dann plötzlich still. Gott lieben, ihm dienen und das auf eine fröhliche Weise tun – das stärkt den Glauben.
Oft ist es ja so, dass eine Stärke von Menschen oder auch von Menschengruppen auch eine Schwäche ist. So ist es ein wenig mit der Lebendigkeit. Die afrikanischen Kulturen sind sehr laut. Sich selbst hört man dabei kaum. Man findet keine Ruhe. Wir sind oft so sehr von einer Gruppendynamik geprägt, dass der oder die Einzelne sich dabei selbst total vergisst.
Hier habe ich von meinen deutschen Geschwistern gelernt, wie man sich findet und zur Ruhe kommt. Erst in der Stille lernt man, zwischen der Stimme der Gesellschaft und der Stimme Gottes zu unterscheiden. Das ist die Stärke der Stille, die ich gefunden habe. Das finde ich sehr stark. Und auch als ganze Gemeinde, als New Life Church, haben wir von unseren deutschen Geschwistern gelernt. Wir sind oft zu laut im Gebet. Wir beten alle auf einmal. Diese Art stört den, der gewohnt ist, still im Gebet zu sein. Wir haben gelernt, uns zu bremsen, damit wir die Anderen in der Stille nicht stören.
Nicht nur im gemeinsamen Gottesdienst gibt es Unterschiede, sondern auch in der persönlich gelebten Frömmigkeit. So spielt in unserer Kultur das Gebetsleben eine ganz besondere Rolle. Wenn wir ein Problem haben, dann ist das Gebet für uns das erste, an das wir denken. Bevor wir irgendwelche andere Hilfe in Anspruch nehmen, gehen wir zu unserem geistlichen Leiter. Wenn ein Afrikaner krank ist, ruft er als erstes seinen Pastor an und bittet um Gebet. Bevor er zum Arzt geht! Gebet ist für uns das A und O. Zum Arzt gehen wir dann natürlich auch, aber die Reihenfolge ist eine andere. Ich beobachte, dass unsere deutschen Geschwister in der Regel erst einmal zu weltlichen Fachleuten gehen, wenn sie Hilfe brauchen.
Sehr schade finde ich es, wenn sogar in kirchlichen Veranstaltungen nicht oder kaum gebetet wird. Ich glaube, von einem intensiveren Gebetsleben, wie es bei uns üblich ist, könnten deutsche Christen echt profitieren. Ich habe so viele Wunder erlebt – in meinem eigenen Leben und in meinem Umfeld. Letzten Februar riss in meinem Arm eine Sehne. Die Ärzte im Krankenhaus wollten sofort operieren. Doch zuhause haben wir mit den Kindern als erstes gebetet. So fest ist der Glaube an Gebet, dass wir so handeln. Und wir sehen das Resultat. Ich bekam erst einmal keinen Termin für ein MRT, doch nach vier Wochen war mein Arm komplett geheilt, ohne Operation. Mein Arzt war sehr überrascht, dass es ohne OP ging.
In Bezug auf kulturelle Unterschiede zwischen Christen wünsche ich mir, dass wir sehen, wie sehr Vielfalt bereichert, wenn wir uns darauf einlassen. Konflikte bleiben dabei natürlich nicht aus. Wenn unterschiedliche Bibelerkenntnisse aufeinanderprallen, kann das herausfordernd sein. Und wenn das Laute unserer Kultur auf das Ruhigere der deutschen Kultur stößt, kann das anstrengend sein und auch zu Streit führen.
Aber in der New Life Church bleiben die Geschwister trotz Sprachbarrieren zusammen und feiern gemeinsam Gottesdienst. Auch in meiner neuen Gemeinde in Neuss gibt es kulturelle Unterschiede, doch die erleben wir als Bereicherung. Christus ist der Klebstoff, der uns zusammenhält. Unterschiedliche Sichtweisen machen den Horizont weiter. Eine gesunde Mischung aus theologischem Wissen, Erfahrungen und Prägungen tut einer Gemeinde gut. Und es ist im Sinne Jesu, im Frieden zusammenzubleiben.
Alfred Aidoo ist Mitglied im Präsidium des Bundes. 25 Jahre lang hat er in der New Life Church Düsseldorf mitgearbeitet. Seit 2017 ist er Pastor der EFG Neuss.
Ein Artikel von Alfred Aidoo