„Wir haben einen Marathon vor uns“

Ein Bericht von IDEA-Redakteur David Wengenroth

IDEA, Wetzlar. Die Jahrhundertflut verwüstete das Gemeindezentrum der Baptistengemeinde „Kirche am Widey“ in Hagen. Die komplette Einrichtung ist zerstört und das Gebäude sanierungsbedürftig.

„Wir sind schockiert und begreifen erst nach und nach, was passiert ist“, sagt Pastor Ronald Hentschel. Das Gemeindezentrum der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde wurde von einer Flutwelle verwüstet. Die komplette Einrichtung ist zerstört und das Gebäude „im Grunde eine Bauruine“.

Das Gemeindezentrum wurde 1990 bei der Häuserreihe „Am Widey“ gebaut. Die Volme, die daran vorbeifließt, ist normalerweise ein gemütlicher Fluss. Eine Mauer zwischen Wasserlauf und Gemeindehaus sollte eigentlich für zusätzlichen Hochwasserschutz sorgen. Als die Unwetter angekündigt wurden, trafen die Gemeindemitglieder trotzdem Vorsichtsmaßnahmen: Sie dichteten alle Türen und Fenster ab, schützten sie mit Brettern und stellten die technischen Geräte wie Lautsprecher und Lampen auf Erhöhungen. In der Nacht auf den 15. Juli erwies sich all das als nutzlos. Die Volme schwoll zu einem reißenden Strom an und sprengte die Schutzmauer einfach weg. Die Flutwelle traf das Gemeindehaus mit voller Wucht. Innerhalb weniger Minuten stand das Wasser in dem Gebäude brusthoch. Kisten und Stühle schwammen in der braunen Brühe.

Auch Pioniere der Bundeswehr halfen

Hentschel ist trotzdem froh, dass die Schutzmauer gebrochen ist. Denn auf der anderen Seite des Flusses überschwemmte die Flut Wohnungen. Dort fürchteten Menschen um ihr Leben. Durch das Wegbrechen der Mauer wurde ein noch stärkeres Ansteigen verhindert.

Als Gemeindemitglieder am nächsten Morgen in das Gemeindehaus kamen, fanden sie die komplette Einrichtung ruiniert vor: Großküche, Konzertflügel, technische Anlage und die erst im vergangenen Jahr sanierte Orgel. Zahlreiche Helfer – auch aus umliegenden Gemeinden – gingen zunächst daran, den Schlamm auf dem Außengelände zu entfernen. „Als wir nach 22 Uhr mit unseren Kräften fast am Ende waren, kamen die Pioniere der Bundeswehr“, berichtet Hentschel. Sie hatten tagsüber in der Stadt mit Bergepanzern Straßen geräumt, einen Hubschrauberlandeplatz angelegt, ein Altenheim evakuiert und einige Brände gelöscht. „Am Abend waren sie bei uns. Wir waren dafür unendlich dankbar.“

Gottesdienst zwischen Hochwassermüll

Am Freitag und Samstag schöpften und pumpten die Helfer das von Öl und Chemikalien verschmutzte Wasser aus dem Innenraum des Gemeindezentrums. Danach putzten sie die dicke Schlammschicht weg, die alles überzog. Am Sonntag waren dank vieler fleißiger Hände die gröbsten Schäden beseitigt. Am Sonntag feierten die Gemeindemitglieder wieder Gottesdienst auf dem Vorplatz des Gemeindezentrums – neben dem aufgetürmten Hochwassermüll.

Auch der Schaden am Gebäude ist riesig

In den nächsten Monaten und Jahren kommen auf die Gemeinde große Herausforderungen zu, sagt Hentschel. Nicht nur, dass das komplette Inventar des Gemeindehauses neu beschafft werden muss, auch der Schaden am Gebäude selbst ist riesig. Zunächst müsse das durchnässte Mauerwerk jetzt mit großen Spezialgeräten getrocknet werden. „Allein das wird wohl einen sechsstelligen Betrag kosten“, meint der Pastor. Welche Schäden an Fundament und Mauerwerk behoben werden müssen, könne erst nach dem Trockenlegen untersucht werden. „Wir haben einen Marathon vor uns.“

Erschienen in IDEA 29/2021 vom 21. Juli 2021, S. 36.

Ein Interview mit Pastor Ronald Hentschel kann hier bei ERF Plus angehört werden.

Ein Artikel von David Wengenroth (IDEA)